Bisherige Funde belegen, dass Holzräder vor 5.500 bis 6.000 Jahren im eurasischen Bereich zwischen dem Persischen Golf und der Nordsee unvermittelt auftauchen. Es gibt keinen erkennbaren Ort seiner Erfindung und die Fundorte betreffen sowohl Hochkulturen wie auch bäuerliche Gemeinschaften.
Die Erhaltung von Holz über Tausende von Jahren ist natürlich an besondere Ablagerungsbedingungen geknüpft, weshalb moorige Bereiche in der Fundhistorie überwiegen. Gerade Pfahlbausiedlungen und Siedlungen an Seen – insbesondere rund um die Alpen, und dabei im Besonderen im nordalpinen Raum – sind deshalb für die bisherigen Funde prägend.
Alle diese frühen Räder waren Scheibenräder mit einem Durchmesser von 40 bis 70 cm und es scheint sowohl das Prinzip der rotierenden Achse als auch das Prinzip der feststehenden Achse bekannt gewesen zu sein. Da aber wohl eher die Abnützung einer Achse hingenommen werden konnte, als die Abnützung der Nabe im Rad, war wohl zumindest in den ersten Jahrtausenden die rotierende Achse die häufigere Variante.
Eckige Achslöcher bezeugen, dass das Rad fest mit der Achse verbunden ist und sich mit dem Rad dreht.
Ein rundes Achsloch – hier sogar mit Buchse – bezeugt, dass sich das Rad auf der Achse dreht.
Sowohl der einachsige Karren (hoch manövrierfähig) als auch der zweiachsige Wagen (ohne drehbares Vordergestell) waren bekannt.
Es gab wohl vorher Schleifen in dreieckiger Form (für zwei Zugtiere) und in rechteckiger Form (ein Zugtier). Funde weisen keine Aufnahme für eine Achse auf.
Rekonstruktion einer dreieckigen Schleife aus dem Federsee-Museum. Am Kopf (rechts) wurde ein Querholz für zwei Zugtiere befestigt. Die Enden links schleiften über den Boden.
Eine solche Schleife musste nur mit einer Achse versehen werden.
Rekonstruktion aus dem Federsee-Museum
Aus dem frühen 3. Jahrtausend v.u.Z. gibt es auch Funde von Rädern mit viereckigem Achsloch aus Pakistan und dem Vorderen Orient. Auch stammen viele Funde aus dem nordalpinen Raum aus dieser Zeit.
Diese Erfindung hatte zunächst eine hohe Relevanz für den Alltag und verbreitete sich damit schnell und ungebremst, während ich die Erfindung des Speichenrades als kriegsrelevante Hochtechnologie sehe, die beherrscht werden musste und deren Spezialwissen wohl als kriegsrelevantes Geheimwissen zunächst geschützt war.
Die Handelsbeziehungen, die durch die Kupfermetallurgie ausgelöst wurden, trugen ebenfalls zu einer schnellen Verbreitung des Scheibenrades bei.
Handelsbeziehungen existierten schon früh über die Wasserwege. Die Erschließung von Kulturen abseits der Wasserwege und ohne Lasttiere (z.B. Kamele in Wüstenregionen) waren aber an den Transport auch schwerer und umfangreicherer Güter gekopplet. Dies wurde durch die Erfindung des Wagenrades revolutioniert.
In der Bronzezeit (ab etwa 4000 Jahre vor heute) erhielten die Räder zwei halbmondförmige Aussparungen und hatten Durchmesser von bis zu 1,2 m.
Ausstellung im Federsee-Museum. In die mittlere der drei Bohlen ist die Nabe eingearbeitet.
Für Scheibenräder gab es verschiedene Techniken:
1. Scheibenrad aus einer Baumscheibe
Das Scheibenrad, das aus einer Baumscheibe bestand, d.h., das von einem Baumstamm als Scheibe abgesägt wurde – wobei die Technik des Sägens aus der Zeit der frühen Räder nicht in Funden dokumentiert ist.
Nachteil dieser (bei Kenntnis der Sägetechnik) einfachsten Art eines Scheibenrades ist die hohe Gefahr des Zerbrechens.
Deshalb hatten die Wagner der Vorzeit schon bedeutend robustere Techniken entwickelt.
2. Scheibenrad in Bohlentechnik
Die einfachste Version ist ein Rad, das aus einer einzelnen Holzbohle hergestellt wurde.
Ein solches Rad wurde in Niedersachsen gefunden und hat ein Alter von 3700 Jahren.
Im Museum am Federsee ist sowohl ein Originalteil eines Scheibenrades als auch dessen Reproduktion ausgestellt. Es besteht aus drei einzelnen Bohlen, die durch schmale Keilhölzer in Schwalbenschwanztechnik verbunden sind. Das viereckige Achsloch bezeugt die Technik der rotierenden Achse.
Die Rekonstruktion zeigt folgendes Bild
Solche Scheibenradtypen waren im mitteleuropäischen Raum Tausende von Jahren lang üblich und weit verbreitet.
Im Rahmen der Grabungen in den Pfahlbausiedlungen am Bodensee wurden Räder des bronzezeitlichen Typs gefunden. Hier als Rekonstruktion im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen:
Im osmanischen Reich waren Scheibenräder in Bohlentechnik bis ins letzte Jahrhundert weit verbreitet.
Die Verbindung durch Quernuten ist in diesem Fall nicht erforderlich, weil die Bohlen miteinander verzapft sind und ansonsten durch einen Eisenreif zusammengehalten werden.
Ich muss jetzt auf einen wichtigen Konstruktionsunterschied eingehen:
1. Das Rad ist fest auf der Achse montiert und die Achse dreht sich mit (rotierende Achse).
2. Das Rad dreht sich auf der Achse und muss deshalb mit einer Nabe ausgestattet sein (feststehende Achse).
Die erste Version erkennt man am viereckigen Loch im Rad (siehe letztes Bild).
Die Achse ist fest mit den Rädern verbunden.
Man erkennt, dass diese Achse an der Kontaktstelle mit der Karroserie inzwischen ziemlich weit abgelaufen ist.
Diese Achse ist noch ziemlich unverbraucht. Der Wagen sitzt ohne weitere Befestigung auf der Achse auf.
Daneben gibt es aber auch Scheibenräder in Bohlentechnik mit Nabe und eingesetzter Buchse:
Die Nabe ist in diesem Fall in die mittlere Bohle eingearbeitet. Damit das Rad stabil auf der Achse läuft, muss der Kontakt von Achse und Rad eine bestimmte Mindestlänge haben – deshalb die Verdickung. Man erkennt auch die Gussbuchse (konisch), die auf der Achse (ebenfalls konisch) aufsitzt.
Zumindest im osmanischen Reich gab es auch eine ausgereiftere dritte Konstruktionstechnik des Scheibenrades:
3. Scheibenrad in 2 x 3 konzentrischen Segmenten, die untereinander verzapft wurden.
Zunächst wurden 3 Segmente mit je einem knappen Drittelkreis Breite mit der Nabe und untereinander verzapft. Versetzt wurden darüber 3 weitere Segmente verzapft. Das Ganze wurde mit einem Eisenreif eingebunden.
Ich habe diese Technik bisher aber nur in der Türkei beobachtet, wo sie allerdings weit verbreitet war.
Wenn man die ersten Bilder auf dieser Seite nochmals betrachtet, kann man feststellen, dass das Rad aus dem Federsee fest mit der sich drehenden Achse verbunden war und dass das Rad vom Bodensee eine Nabe hatte und sich auf der Achse drehte.
Das Rad aus Niedersachsen hat zwei entscheidende Nachteile:
1. Es ist zerbrechlich und
2. es rotiert ohne Nabe auf der Achse, ist also sehr instabil.
Das bedeutet, dass es nur für kleine Lasten einsetzbar war. Sein Erhaltungszustand spricht aber eher für eine Weihegabe zu kultischen oder zeremoniellen Zwecken als für ein echt gelaufenes Rad.
4. Das Speichenrad
Oder: Wie mache ich aus einem Ochsenkarren einen geländegängigen Rennwagen?
Ich gehe davon aus, dass die ersten Speichenräder eine Entwicklung für die Streitwagen-Technologie im sumerischen, hethitischen und/oder auch dem babylonischen Reich waren.
Von der Radtechnik her war das die Rennwagenversion: Keine große Last zu tragen, dabei aber doch robust im Gelände, wendig und schnell.
Und ich gehe ebenfalls davon aus, dass diese Technologie zumindest anfangs Geheimwissen war, was dafür sorgte, dass Scheibenräder neben den Speichenrädern noch sehr lange üblich waren.
Hethitischer Streitwagen mit Speichenrad um 900 v.Chr.
Im griechischen und römischen Reich verbreitete sich die Technik des Speichenrades schnell und in einem großen Territorium. Speichenräder waren also schon vor der Zeitenwende handwerkliches Allgemeingut unter den Wagnern. Mit der intensiven Besiedelung durch die Römer in Südwestdeutschland bis ins 2. Jh. n.Chr. kam diese Technik auch in den mitteleuropäischen Raum.
Ich habe festgestellt, dass die Art und Weise, wie die Römer vor 2000 Jahren Speichenräder herstellten, sich in nichts von dem unterschied, was mein Großvater vor dem WK I machte. D.h., dass die Technik, ein Speichenrad herzustellen, schon vor über 2000 Jahren ausgereift war und dass sowohl die Werkzeuge als auch die Arbeitstechniken bis zum Beginn der Elektrifizierung und damit der maschinengestützten Produktionstechnik keine bedeutende Änderung mehr erfuhr.
In der Klosterbaustelle “Campus Galli” bei Meßkirch konnte ich sehen, dass zwar auch Wagen mit üblicher Speichenradtechnologie verwendet werden, bei denen es sich aber um die Verwendung übernommener alter Räder handelt. Alle Räder, die neu gemacht wurden, wurden vom Drechsler in der Technik von Rädern für Spinnräder gebaut mit senkrecht auf der Nabe stehenden Speichen.
Mir wurde erklärt, dass dies so vorgeschrieben sei, weil nicht dokumentiert sei, dass die von den Römern nach SW-Deutschland gebrachte Technologie des Speichenrades um 900 nChr tatsächlich im süddeutschen Raum Verwendung fand. Es müsste davon ausgegangen werden, dass diese in den Wirren der Völkerwanderung im 5. Jh. bis in die erste Hälfte des 6. Jh. verloren gegangen war.
Ich möchte dieser Theorie näher nachgehen, weil es mir nicht möglich erscheint, dass unter Bedingungen, die durchgehend den Transport auch schwerer Lasten notwendig machten – d.h. bei vorhandenem dringenden Bedarf – eine Technologie flächendeckend verschwinden sollte, die essentiell wichtig war für das Funktionieren dieses Transportmöglichkeiten.
Ein Rad, in dem die Speichen senkrecht stehen, geht bei schweren Lasten auf unbefestigten Wegen, die auch nicht immer horizontal ausgebaut waren, beim ersten Schlagloch kaputt. Die Last des Wagens schlägt die Nabe aus dem Rad. Ein Transport über weite Strecken und dem Zustand der Wege in der damaligen Zeit ist damit unmöglich.
Außerdem war der Beruf des Wagners generationenübergreifend und wurde vom Vater an den Sohn weitergegeben. Techniken, die auf diese Weise flächendeckend in jedem Dorf vorhanden waren, gehen nicht verloren.
Es wird spannend werden, dieser Frage nachzugehen.
copyright Franzjörg Krieg ab 2016