Biologie einer Wagnerei

Die traditionelle Wagnerei als besonderes Habitat

Eine über 200 Jahre alte Wagnerei an einem konstanten Standort schafft Bedingungen, die sonst innerhalb einer Ortschaft kaum zu finden sind, besonders noch nach der Jahrtausendwende. So bietet sie Voraussetzungen für die Ausbildung eines besonderen Biotops.

Diese Bedingungen umfassen:

  • durchgängige Lagerung von bestimmten Hölzern rund um die Werkstatt, sowohl frisches Nutzholz als auch Brennholz im Trocknungsprozess sowie Altholz, das auf dem großen Grundstück jahrelang – auch mit Kontakt zum Boden – lagert

  • Das Faktum, dass bei einer Wagnerei, die über 200 Jahre lang durchgehend betrieben wurde, bzw. darüber hinaus noch als komplettes Ensemble erhalten blieb, immer Holz gelagert wurde, sorgt dafür, dass insbesondere Insekten, deren Lebenszyklus mit Holz in engem Zusammenhang steht, Zeit genug hatten, sich an dieser Stelle einzugewöhnen.

    Auf der Nordseite der Werkstatt (Bahnseite) war schon immer – und wird bis heute noch – Holz gestapelt.

     


    Auf dem rechten Bild bohrt Heinrich Krieg jun. etwa 1935 mit dem Löffelbohrer ein Buchsenloch aus. Im großen Garten steht noch das Bienenhaus und danach kommt das Holzlager. Rechts im Bild sitzt der Holzstapel hinter dem gesägten Stammholz.
    Auf dem linken Bild stemmt der älteste Sohn Karl Krieg den inneren Rand eines Buchsenloches aus, beobachtet von Heinrich Krieg sen. Das gestapelte Holz hat das typische Format für die Befeuerung des Backofens.

    An gleicher Stelle sitzt im Jahr 1953 ebenfalls ein Holzstapel


    Da auch heute noch das Wohnhaus nur durch Holz beheizt wird, wird diese Tradition fortgeführt.
    Das Grundstück ist mit unterschiedlichen Baumsorten und Büschen  bepflanzt und bietet vielfältige Bedingungen für Kleinlebewesen und Vögel.

Dadurch sind auch heute noch durchgängig vertreten:

Amseln, Krähen, Elstern und Tauben
Blindschleichen, Igel (in den letzten Jahren nicht mehr)
Hirschkäfer, Holzbienen, Rosenkäfer, Wespen, Hornissen
Eichhörnchen

Viele Amseln sind inzwischen so sehr an den Menschen gewöhnt, dass sie zu mir manchmal nur 1 – 2 Meter Distanz zulassen.
Diese Sorglosigkeit machen sich aber die Katzen auf meinem Grundstück zunutze. Gerade im Frühjahr 2023 gibt es einen Kater, der sich auf die Amseljagd spezialisiert hat und derzeit etwa alle zwei Wochen eine Amsel frisst. Ich sehe das immer wieder an den Federn auf der Wiese.

Ein Amselpaar nistete in einem Gebüsch viel zu nahe am Boden. Ich ahnte schon, dass das nicht gut gehen würde.



Zuerst fing der Kater das Männchen. Nachdem das Weibchen das Gelege mit vier Eiern voll hatte, erwischte er auch das Weibchen.

Ich konnte das noch nicht beobachten, nehme aber an, dass der Kater die Amseln beim Fangen von Würmern beobachtet. Wenn diese mit dem Herausziehen eines Wurmes aus dem Boden beschäftigt sind, greift er zu.


Besetztes Elsternnest am 04.05.2021


Elsternest nach dem Fällen einer Fichte


Am 14.03.2018 auf der Wiese hinter der Wagnerei


Am 05.09.2018 auf der Wiese hinter der Wagnerei

Gerade Hirschkäfer und Holzbienen sind innerhalb von Ortschaften – und in diesem Fall im Zentrum eines großen Ortes – eher selten zu sehen.
Es sind aber standorttreue Tiere, deren Weibchen sich wohl dort reproduzieren, wo sie selbst aufgewachsen sind – solange die Bedingungen bestehen bleiben.
Hirschkäfer gehören zu den im Bestand stark gefährdeten und geschützten Käferarten. Hinzu kommt, dass sie die größten europäischen Käfer darstellen.


Dieses Hirschkäfer-Weibchen konnte ich am 20.06.2019 auf dem Grundstück auffinden. Vor Jahren sah ich noch Männchen, in den letzten Jahren aber fast nur Weibchen, was wohl eher dem Zufall als einer Systematik geschuldet ist.

Am 20.06.2020 spätabends ergab dieser Zufall, dass ein kleineres Männchen durch die offene Terrassentür ins Wohnzimmer geflogen kam. Der Flug eines Hirschkäfers ist akutisch schon ein Ereignis – besonders im Wohnzimmer.

Am 30.05.2020 fand ich beim Umräumen von lange im Kontakt mit Erde gelagertem Holz mehrere Engerlinge, die wohl zu groß waren, um von Maikäfern oder Rosenkäfern zu stammen.

Am 06.08.2020 fand ich beim Ausgraben eines Baumstumpfes erneut eine Hirschkäfer-Larve.

 

Beim Standort des großen Brennholzstapels stand eine Birke, die vor zwei Jahren dürr wurde und im letzten Jahr bei einem Sturm umfiel.
Kein Wunder: Die Wurzeln waren komplett abgefressen. Eigentlich kommen nur Hirschkäferlarven dafür in Frage.

 

 

Dem ungewöhnlich frühen Wärmeeinbruch war es zu verdanken, dass ich schon am 23.02.2020 ein Exemplar einer Großen Holzbiene finden konnte. Diese bohren Gänge in Totholz und legen ihre Eier dort ab.

Wo es Totholz gibt, gibt es auch Wespen und Hornissen, weil diese das Totholz als Baumaterial für ihre Nester brauchen.
Im April 2022 begann eine Hornissenkönigin, in einem Fass direkt vor meinem Hauseingang ein Nest zu bauen.

 

 
Hornissenkönigin bei der Besorgung von Baumaterial


Wenn die Morgensonne auf die dem Spundloch gegenüber liegende Seite des Fasses scheint, macht die Hornisse den Ventialtor am Einflugloch


Ende Mai 2023 sammeln wieder zwei Hornissen Baumaterial für ihr Nest

Am 21.05.2023 konnte ich einen Rosenkäfer beobachten. Er wird auch als “Zeigerart” für die hohe ökologische Wertigkeit eines Biotops geschildert.

Die vielen hohen  Bäume auf dem Grundstück sorgen auch dafür, dass es immer wieder Eichhörnchen auf dem Grundstück – mitten im Dorfkern – gibt.