Artikel zur Wagnerei Krieg
Badische Neueste Nachrichten vom 08.09.1991
Artikel zum 200jährigen Jubiläum der Wagnerei Krieg
Badisches Tagblatt (Rastatt) vom 13.03.1997
Badische Neueste Nachrichten (Karlsruhe) vom 16.03.1997
Badische Neueste Nachrichten (Karlsruhe) vom 12.02.1998
Badisches Tagblatt vom 13.02.1998
STANDpunkte 4/98
Badische Neueste Nachrichten vom 27.05.1998
Schwarzwälder Bote vom 29.05.1998
Badisches Tagblatt vom 30.05.1998
Schwäbische Zeitung vom 30.05.1998
WAZ Nr. 127 vom 02.06.1998
Sächsische Zeitung vom 05.06.1998
Gaggenauer Woche vom 10.09.1998
BNN Nr. 219, 21.09.2000, Südwestecho, Seite 6
BNN vom 30.05.2001
BNN vom 02.06.2006
Badisches Tagblatt vom 02.06.2006
Badisches Tagblatt vom 02.08.2006
WO vom 02.08.2006
BNN vom 11.09.2006
Badisches Tagblatt vom 18.08.2009
BNN vom 11.09.2010
Badisches Tagblatt vom 14.09.2010
Badisches Tagblatt vom 08.09.2016
BNN vom 10.09.2016
BNN vom 06.10.2018
BT vom 30.08.2019
Badische Neueste Nachrichten vom 08.09.1991
Der Artikel stellt ein Teil des umfangreichen Portaits zum 950jährigen Jubiläum des Ortes Rotenfels dar.
Badisches Tagblatt vom 13.03.1997
Heinrich Krieg ist der letzte Wagner in Bad Rotenfels/ Beruf mit großer Tradition
Mehr als nur ein Rad herstellen
Gaggenau (kus) ‑ Auf zwei Jahrhunderte Handwerkstradition kann die Wagnerei Krieg in Bad Rotenfels zurückblicken. Wagnermeister Heinrich Krieg (77) ist der letzte Handwerksmeister in der langen Reihe seiner Vorfahren ‑ allesamt mit dem Namen Krieg.
Wenn auch Heinrich Krieg in der nunmehr auslaufenden Tradition seinen Beruf nur noch als Liebhaberei wahrnimmt, so ist man vor Ort doch sehr beeindruckt, was sich hinter der Jubiläumszahl zum einen und dem Aussterben dieses Handwerkszweiges andererseits verbirgt.
Was der Urahn Johann Franz Krieg im Jahre 1797 begründete, musste Nachfahre Heinrich aufgrund tragischer Kriegseinwirkung ganz von vorne beginnen: Beim Luftangriff auf Gaggenau am 10. September 1944 brannte das Haus Krieg ‑ mit dem Baujahr 1785 ‑ ab. Dabei wurden auch alle Holzvorräte vernichtet. Glücklicherweise blieben Werkstatt und Backhäuschen verschont. Heinrich Krieg erwartete also nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft Aufbauarbeit. Hinzu kam die Vorbereitung auf die Meisterprüfung, die er im Jahre 1948 in Freiburg absolvierte.
Menschen in der Region
Ein Besuch im Haus Krieg beeindruckt. Jede Sorte von einschlägigen Handwerksprodukten hat der Wagner in seine Wohnungseinrichtung integriert, um die Spuren der Handwerkskunst in die Nachkommenschaft hinüberzuretten. Wagenteile, Naben, Felgen, Joche, Räder usw. sind da zu Gebrauchsgegenständen umfunktioniert.
Bereits im Hofbereich begrüßt das Wagnerwappen mit Rad, Beil, Schnittmesser, Stech‑ und Greifzirkel den Besucher. Erst ein Blick in die Werkstatt offenbart, ganz nahe am Handwerksgeschehen zu sein. Angefangene Werkstücke bringt man gleich in Beziehung zum Handwerkszeug und den Maschinen, beispielsweise den immer noch aktuellen Schnittbock, die Bandsäge, die Drechselbank und vieles mehr.
Der letzte „Krummholz“, wie man den Wagner im Sprachgebrauch der Region nennt, weiß zu berichten, dass es in der „hohen Zeit“ der Handwerker vor fast 200 Jahren acht Wagner und fünf Schmiede in Bad Rotenfels gab. Verständlich also, dass sich Heinrich Krieg am Ende seiner Familien- und Berufstradition gerne mitteilt – ohne Pathos, aber mit etwas Wehmut.
„Wagnern“ ist mehr als die Herstellung von Rädern, möchte Krieg festgestellt wissen, obwohl das Wagenrad dominiert. Das Rad ist das immerwährend gültige Vorzeigestück des Wagners. Einer der Wagnerzunft wird stets an der gekonnten Ausführung eines Rades gemessen. In die Aufzählung der Werkstattprodukte zählten schon immer ferner die verschiedensten Arten von Wagen und Karren, Leitern, Kuh‑ und Ochsenjoche, Kummetstollen, Rechen, Sensenwürfe, Dreschflegel, Stiele und Hälme jeder Art, Holzteile des Pfluges und der Egge und manche andere Geräte für die Land‑ und Forstberufe.
Wenn man die alten aussterbenden und bereits ausgestorbenen Handwerksberufe nicht nur als Kulissenlandschaft verstehen will, muss man sich zwangsläufig ihrer Geschichte annehmen. Erste Zünfte der Wagner finden sich bereits im 14. Jahrhundert. Das meist in größeren Städten wie Augsburg, Lübeck, Nürnberg und Wien. In der Schweiz haben sich die Wagner, Drechsler, Zimmerleute und Küfer zu einer gemeinsamen Zunft zusammengetan. Ähnlich ist eine Zunftverbindung in Straßburg aus dem Jahre 1332 bereits bekannt.
Das Vordringen des Landhandwerks bis in die kleinsten Dörfer ist gerade beim Wagnerberuf zu sehen. Nach einem großen Sprung über die handwerkliche Blütezeit setzten maschinell verfertigte Güter die handwerkliche Leistung in Nachteil. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass der Beruf des Wagners vor Einführung der Gewerbefreiheit 1862 als “zünftig“ gegolten hat. Nun ist die Zeit abzusehen, in der nur noch in Museen an die Wagnerei und andere Berufszweige mit ihrer vormals bedeutenden Rolle erinnert wird.
Badische Neueste Nachrichten vom 16.03.1997
200jährige Tradition der Wagnerei Krieg
Wagnermeister Heinrich Krieg stellt Räder oder Leitern nur noch aus Liebhaberei her
Gaggenau‑Bad Botenfels (bam). Auf zwei Jahrhunderte Handwerkstradition kann in diesem Jahr die Wagnerei Krieg in Bad Rotenfels zurückblicken. Wagnermeister Heinrich Krieg (77) ist der letzte Handwerksmeister in der langen Reihe seiner Vorfahren, der seinen Beruf allerdings nur noch als Liebhaberei wahrnimmt.
Urahn Johann Franz Krieg gründete 1797 die Wagnerei. Sein Urenkel Heinrich musste nach dem Krieg von vorne beginnen: Beim Luftangriff auf Gaggenau am 10. September 1944 brannte das Haus Baujahr 1785 ab. Dabei wurden auch sämtliche abgelagerten Holzvorräte vernichtet. Glücklicherweise blieben Werkstatt und Backhäuschen verschont. Heinrich Krieg erwartete nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft Aufbauarbeit in doppelter Hinsicht. Hinzu kam die Vorbereitung auf die Meisterprüfung, die er im Jahre 1948 in Freiburg absolvierte.
In seinem Haus hat Krieg jede Sorte von Handwerksprodukten in seiner Wohnungseinrichtung integriert, um die Spuren der Handwerkskunst in die Zukunft hinüberzuretten. Wagenteile, Naben, Felgen, Joche und Räder sind zu Gebrauchsgegenständen umfunktioniert. Bereits im Hofbereich begrüßt das Wagnerwappen mit Rad, Beil, Schnittmesser, Stech‑ und Greifzirkel, den Besucher.
In der Werkstatt liegen angefangene Werkstücke und Maschinen, beispielsweise er Schnittbock, die Bandsäge, die Drechselbank und vieles mehr. Krieg, der letzte “Krummholz”, wie man den Wagner im Sprachgebrauch der Region nennt, berichtet, dass es in der Blütezeit des Handwerks vor fast zweihundert Jahren acht Wagner und fünf Schmiede in Bad Rotenfels gab
Wagner können mehr als die Herstellung von Rädern, möchte Krieg festgestellt wissen. Einer der Wagnerzunft wird stets an der gekonnten Ausführung eines Rades gemessen werden. Daneben gehört die Nabe als Mitte des Rades dazu. Verschiedenste Arten von Wagen und Karren, Leitern, Kuh‑ und Ochsenjoche, Kummetstollen, Rechen, Sensenwürfe, Dreschflegel, Stiele und Hälme jeder Art, Holzteile des Pfluges und der Egge und manche anderen Geräte für die Land‑ und Forstberufe werden ebenfalls hergestellt.
Erste Zünfte der Wagner finden sich bereits im 14. Jahrhundert, die meisten in größeren Städten wie Augsburg, Lübeck, Nürnberg und Wien. In der Schweiz haben sich die Wagner, Drechsler, Zimmerleute und Küfer zu einer gemeinsamen Zunft zusammengetan. Eine Zunftverbindung in Straßburg ist aus dem Jahre 1332 bekannt. Maschinell verfertigte Güter verdrängen das Handwerk schließlich. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass der Beruf des Wagners, wie auch des Schmieds, vor Einführung der Gewerbefreiheit im Jahre 1862, als “zünftig” gegolten hat.
Bildunterschrift:
LETZTER SEINER ZUNFT: Wagnermeister Heinrich Krieg arbeitet nur noch aus Liebhaberei
Foto: Bittmann
Badische Neueste Nachrichten Nr. 35 vom 12.02.1998, Seite 22, Aus dem Umland
Der 78jährige Heinrich Krieg aus dem Gaggenauer Stadtteil Bad Rotenfels ist einer der letzten Wagnermeister in der Region
„Die schönste Wagnerarbeit ist das Rad“
Von unserer Mitarbeiterin Elke Schapeler
Gaggenau-Bad Rotenfels. Was ist das für ein Gefühl, letzter Vertreter einer über 200jährigen Familientradition zu sein? „Dass in fünfter Generation mit mir diese alte Handwerkerzunft in unserer Familie austirbt, bedauere ich schon ein wenig. Andererseits zählt der Fortschritt, ihm kann und will ich mich nicht entgegensetzen“, antwortet Wagnermeister Heinrich Krieg aus Bad Rotenfels in seiner urgemütlich eingerichteten „Wagner“-Wohnstube. „Das hier ist mein Reich“, lächelt der 78Jährige mit dem langen weißen Bart.
HANDWERKLICHES KÖNNEN UND EINFALLSREICHTUM: Wagner Heinrich Krieg (unser Foto zeigt ihn auf dem Schnittbock) ist ein Meister seines Faches. Heute wird der 78Jährige mit dem Goldenen Meisterbrief der Handwerkskammer ausgezeichnet.
Foto: Schapeler
Er zeigt dem Besucher nicht ohne ein wenig Stolz die hölzernen Produkte seiner Handwerkskunst: Eine ehemalige Egge wird als nicht gerade alltägliche Garderobe genutzt. Radnaben hat Heinrich Krieg in originelle Blumenvasen und Lampen umfunktioniert. Zünftig aufgehängt am ledernen Jochriemen dient ein Kuhkalbjoch als rustikaler Deckenleuchter. Furchenegge, Teile von Dreschflegel und Pflug, Minileiterwagen, stabile Melkschemel, Schubkarren und Räder in allen nur erdenklichen Größen finden sich im Hause Krieg gleichermaßen als Gebrauchs- und Schmuckgegenstände und zeugen von handwerklichem Können und künstlerischem Einfallsreichtum.
Sogar das Fernsehen interessierte sich vor kurzem für den agilen Wagnermeister und sendete einen Beitrag über ihn und sein ausgestorbenes Gewerbe (wir berichteten). Heute wird Krieg mit dem Goldenen Meisterbrief der Handwerkskammer ausgezeichnet.
Vor über 50 Jahren hatte der junge Heinrich keinen leichten Berufsstart: „Zu meinem 25. Geburtstag brannte 1944 bei einem Luftangriff unser Haus ab. Zusammen mit meinem Vater konnte ich nach dem Krieg in der zum Glück verschont gebliebenen Werkstatt unsere Wagnerei fortführen.“ Neben Forstleuten zählten damals vor allem „Feierabendbäuerle“ zur Kundschaft, berichtet Krieg, der mit handwerklichem Geschick nicht nur die bestellten landwirtschaftlichen Geräte anfertigte, sondern in der Nachkriegszeit vor allem Reparaturen ausführte. „An Hölzern wurde verwendet, was hier wuchs: Aus Eichen und Akazien stellten wir Naben und Speichen her, aus Buchenholz hauptsächlich Felgen. Die Hölzer mussten vor allem gut ausgelagert und trocken sein“, erzählt der Wagnermeister. Für einen bestellten 40 oder 60 Zentner schweren Leiterwagen habe der Schmied zunächst Achse und Buchse für die Nabe gefertigt: „Das war für mich das Fundament für den Wagenbau.“
1948 besteht Krieg die Meisterprüfung in Freiburg mit „sehr gut“, was ihm seine Existenz als Wagner sichert. Ein Foto zeigt den jungen Handwerker auf dem Fahrrad mit drei geschulterten Wagenrädern auf dem Weg zum Schmied, der die Eisenreifen aufzog und die Buchsen für die Naben drehte. „Die prägnanteste und schönste Arbeit eines Wagners ist das Rad“, erzählt Krieg, dem man noch heute die Liebe zu seinem Beruf anmerkt. Die mit dem Zirkel gezeichneten Segmente wurden sorgfältig ausgesägt und zu einem Rad zusammengefügt, wobei der richtige Winkel die optimale Speichenspannung ergab.
Der Wagnermeister, der sich selbst als bescheiden, genügsam und ein Leben lang sparsam bezeichnet, beschäftigte zeitweise sogar einen Lehrling. „Die Leute damals waren nicht sehr betucht“, beschreibt Krieg die entbehrungsreiche Nachkriegszeit, „wenn ich offene Rechnungen anmahnte, hieß es: Ist recht. Aber Geld bekam ich trotzdem keines.“ Das war für die Wagnerfamilie mit den drei Kindern besonders um die Weihnachtszeit oft recht bitter.
Ende der 50er Jahre lösten industriell gefertigte Gummiräder das hölzerne Wagenrad ab. Die Wagnerarbeit war zu teuer und damit unwirtschaftlich geworden. Neben der Landwirtschaft als ohnehin zweitem Standbein verdiente Heinrich Krieg nun als staatlich geprüfter Obstbaumwart seinen Lebensunterhalt, nahm die Wagnerei nur noch als Hobby wahr. Heute meint der Wagnermeister: „Ich habe noch soviel im Kopf, was ich alles erledigen möchte, aber die Zeit wird knapp. Andererseits: Irgendwann will ich eigentlich auch mal Rentner sein…“
Badisches Tagblatt vom 13.02.1998
STANDpunkte 4/98, Profile, Seite 35
Einer der Letzten seiner Zunft
Heinrich Krieg
Ganz früher, als die Eisenbahnstraße noch Bahnhofstraße hieß und Rothenfels ein eigenständiger kleiner Ort war, da gab es noch acht Wagner und fünf Schmiede im Ort, durch das die Murg fließt. Bad Rotenfels gehört mittlerweile zur badischen Stadt Gaggenau. „Heute wissen die Jungen eigentlich gar nicht mehr, was ein Wagner ist“, meint Heinrich Krieg. Aber verdenken kann man es ihnen nicht. „Man braucht sie ja gar nicht mehr“, sagt er.
Eines seiner Lieblingsfotos beschreibt er so: „Wagner, bereit zur Abfahrt in die Schmiede.“ 35 Jahre alt war er und schon einige Jahre Wagnermeister, als seine Frau die Szene vor der Werkstatt mit der Kamera festhielt. Krieg, beladen mit 3 großen Wagenrädern, hat sich soeben aufs Fahrrad geschwungen und will los. „Und ich weiß noch, dass ich zu meiner Frau sagte, sie soll sich beeilen, weil noch so viel zu tun war.“ Krieg hat viel zu erzählen. Und es ist eine Freude, ihm zuzuhören.
Wehmütige Erinnerungen an die Vergangenheit
Ein Überbleibsel sei er, die Neuzeit habe seinen Beruf überrollt. „Ein Stück Wehmut bleibt“, gibt er zu. Und: „Ich träum´ dem nach.“ Dabei waren die Zeiten als Wagnermeister alles andere als rosig. „Ein Wagner brauchte immer noch ein zweites Standbein, sonst wär er verhungert“, sagt der heute 78Jährige. Bei ihm war es die Landwirtschaft. Immer sparen, immer knapsen mussten er und seine Frau, um für sich, den Sohn und die beiden Töchter sorgen zu können.
Und aufgehört zu schaffen, sagt er, hat er bis heute nicht. „Ich leb´ mit dem Holz.“ Anders könne er gar nicht. Nur: „Schaffen müssen will ich nicht mehr.“
Würde man Krieg die Augen verbinden und ihn zwei gleich große, gleich alte und gleich schwere Holzstücke befühlen und halten lassen, er würde wissen, ob das Holz von links oder von rechts der Murg stammt. „Links der Murg, da lass´ ich die Finger weg, dort ist es hart und zäh. Rechts der Murg ist es schwerer, satter, fettiger. Da ist es gut.“ Aus Eiche, Akazie, Esche und Buche hat er mit Hilfe von Beilen, Hammer, Zirkel und Messern im Lauf seines Lebens unzählige Geräte und Wagen für die Landwirtschaft gefertigt. „Die Räder, das waren die Vorzeigestücke der Wagner.“ Und als die ersten Gummiräder gelaufen seien, da habe man gewusst, „das sind jetzt die Totengräber der Wagner“. Sie setzten auch der Tradition der Familie Krieg ein Ende. „Ich bin nämlich die fünfte Generation“, meint er. Zwischen dem ersten und letzten Spross der Kriegs, die Wagner wurden, lagen im vergangenen November stolze 200 Jahre.
Fragt man Krieg, der nach dem Tod seiner Frau ein zweites Mal heiratete, heute längst Enkel hat und noch immer regelmäßig die alte Werkstatt aufschließt, um „Sächele zu machen“, wie er es denn anstellt, noch so aktiv zu sein, dann lächelt er verschmitzt. „Das macht meine Frau mit ihrer Liebe.“ Und außerdem, sagt er noch, „das wichtigste im Leben ist, dass man über sich selbst lachen kann“. Wenn das nicht mehr gehe, erst dann sei doch alles zu spät.
Inga Brock
Bild : privat, Unterschrift: Heinrich Krieg im Jahr 1954
Badische Neueste Nachrichten vom 27.05.1998
Schwarzwälder Bote vom 29.05.1998
Badisches Tagblatt vom 30.05.1998
Schwäbische Zeitung vom 30.05.1998
WAZ, Nummer 127, 02.06.1998, Ratgeber
Ein altes Handwerk stirbt aus
Mit Hilfe des Rades konnte der Mensch schwere Lasten transportieren. Das Wagner-Handwerk ist eines der ältesten überhaupt.
Einer der letzten seiner Zunft ist Heinrich Krieg im württembergischen Bad Rotenfels. In fünfter Generation führte der 78Jährige die 200 Jahre alte Familientradition fort.
Das über 4000 Jahre alte Handwerk der Stellmacher verlor an Bedeutung, seit sich Motor-Fahrzeuge mit Metallkarossen und Gummireifen durchsetzten. Heute gibt es noch ca. 700 Wagner, meist Kleinstbetriebe, in den alten Ländern. Seit dem 1. April ist der Wagner als Ausbildungsberuf aus der Handwerksordnung gestrichen.
Heute ist ein Wagner meist als Restaurator tätig und setzt alte Kutschen und Schlitten instand. „Es werden immer Wagner gebraucht“, sagt Ludwig Steinbeck vom Zentralverband Karosseriebau. „Doch nur wenige werden über das Jahr 2000 hinaus bestehen.“ Ein aussterbendes Handwerk, das z.B. im Freilichtmuseum Kommern zu besichtigen ist.
Bettina Kutzner
Wagnermeister Heinrich Krieg legt in seiner Werkstatt in Bad Rotenfels letzte Hand an eines seiner Wagenräder. Heute führt der 78Jährige sein Handwerk nur noch als Hobby aus. dpa-Bild
Sächsische Zeitung vom 05.06.1998
Gaggenauer Woche vom 10.09.1998
BNN Nr. 219, 21.09.2000, Südwestecho, Seite 6
Zur Hochzeit Kunst aus Haaren
Heinrich Krieg ist stolz auf eine ganz besondere Uhrenkette
Sorgfältig zieht Heinrich Krieg seine goldene Taschenuhr aus seiner Weste, klappt den mit floralen 0rnamenten und seinen Initialien verzierten Deckel auf und wirft einen prüfenden Blick auf den Zeitmesser. Fast ehrfürchtig streichen seine Finger dabei über die Uhrenkette. “1907 schenkte meine Mutter meinem Vater zur Hochzeit eine Taschenuhr”, erzählt der heute 80‑Jährige aus dem Gaggenauer Stadtteil Bad Rotenfels, “das Besondere daran: die dazugehörige Uhrenkette mit den vergoldeten Beschlägen und der Goldschließe hatte sie aus ihrem eigenen langen Haar flechten lassen.”
Es sei damals ein beliebter und weit verbreiteter Hochzeitsbrauch gewesen, aus dem abgeschnittenen Zopf der Braut ein Schmuckstück für den Bräutigam herzustellen: “Meine Mutter hingegen ließ die Uhrenkette aus ihren ausgekämmten Haaren anfertigen.” Wie lange sie ihr Kopfhaar für die fingerdicke, etwa 20 Zentimeter lange Uhrenkette sammelte, ist nicht bekannt. Ebenso wenig, ob das Kunstwerk von einem Frisör, einem Perückenmacher, Haarkünstler oder einer “Haararbeiterin” (vielfach Klosterfrauen) geflochten wurde. Das ursprünglich schwarze Haar war vor seiner Verarbeitung durch Kochen mit alkalischen Zusätzen in mittelbraun aufgehellt worden.
Heinrich Krieg erinnert sich, dass sein Vater die Taschenuhr samt Kette nur zu Festtagen und besonderen Anlässen trug. Nach dem Tod der Eltern erbte er das gute Stück und hütet es seither wie seinen Augapfel. Bei einem Besuch der Ausstellung “tausend und eine Locke” im schwäbischen Laupheim, zusammen mit seiner Frau Agnes, wollte man ihm das geflochtene Kunstobjekt gleich abkaufen. Doch Krieg lehnte ab: “Die Uhrenkette ist ein kleines Heiligtum für mich.”
Agnes Krieg erinnert sich: “Die Frauen trugen früher in der Regel langes Haar, das sie gelegentlich mit der gusseisernen Brennschere ondulierten.” Die 1901 erfundene teuere Dauerwelle konnten sich nur wenige leisten. Trennte sich eine Frau von ihrem Kopfhaar, galt dies als besonderer Liebesbeweis. Erst in den 20er Jahren machte der “Bubikopf” Furore.
Dem Haar wurden früher vielfach magische Kräfte zugeschrieben. Wahrsagerinnen sagten damit die Zukunft voraus, Hexen verwandten es als Zaubermittel. Doch auch in der Heilkunde des letzten Jahrhunderts spielte es eine große Rolle. So empfahl ein altes Arzneibuch, bei Hysterie Haardämpfe einzuatmen; aus Haaren gewonnenes Riechsalz sollte bei Hirnkrankheiten Heilung bringen. Die moderne Medizin verwendet für die Diagnose einiger Krankheiten ebenfalls Haaranalysen. Seinen symbolischen Wert erhält das Haar auch, indem es als Teil des Menschen gleichsam unsterblich ist, denn es zerfällt auch nach dem Tod nicht. “Ich möchte die jungen Frauen ermutigen, sich dieses wunderbaren alten Brauches zu entsinnen und ihrem Mann zur Hochzeit `ein Stück von sich selbst´ zu schenken”, sagt Heinrich Krieg. Somit kann das Haar gleichsam zu einer Reliquie eines geliebten Menschen werden.
Bildunterschrift:
EINE UHRENKETTE aus dem Haar seiner Mutter hütet Heinrich Krieg als kostbaren Schatz.
Elke Schapeler
Foto: Schapeler
BNN vom 30.05.2001
BNN vom 02.06.2006
Badisches Tagblatt vom 02.06.2006
Badisches Tagblatt vom 02.08.2006
WO vom 02.08.2006
BNN vom 11.09.2006
Badisches Tagblatt vom 18.08.2009
BNN vom 11.09.2010
Badisches Tagblatt vom 14.09.2010
Badisches Tagblatt vom 08.09.2016
BNN vom 10.09.2016
BNN vom 06.09.2018
Badisches Tagblatt vom 30.08.2019