Vorbemerkung:
Meine Recherchen haben ergeben, dass es für die Entwicklung der Werkzeuge von der Antike bis heute kaum eine Institution, Museum oder Privatperson gibt, die sich dieses Themas insgesamt annimmt.
Das einzige Museum, das damit wirbt, sich um die Entwicklungsgeschichte der Werkzeuge zu kümmern, ist das Werkzeugmuseum in Remscheid.
Ansonsten findet man nur einzelne Sammlungen und Publikationen, die sich z.B. einem bestimmten Werkzeug widmen. Beispiel: Hobelmuseum Schmitz in Langenfeld oder Werkzeugmuseum Jordan in Grüntegernbach.
Eine umfassende Genealogie der Werkzeugtechnik scheint es nicht zu geben.
Ich bin für Informationen dankbar, die dieser Aussage widersprechen.
Mit dieser Auflistung möchte ich Beiträge zum Thema leisten.
Ich kaufe nicht gezielt Einzelstücke für meine Sammlung, sondern erweitere diese durch Ankäufe von oft stark ramponierten Konvoluten bzw. die Übernahme von ganzen aufgelassenen Werkstätten.
Dies überlässt Vieles dem Zufall, ermöglicht aber die Dokumentation eines breiten Spektrums in der Darstellung der Praxis des Dorfhandwerks.
Wenn ich erworbene Werkzeuge restauriere, hat dies nicht den Zweck, aus dem einzelnen Werkzeug ein möglichst gut funktionierendes Arbeitsgerät zu machen. Die Aufarbeitung dient allein der Sichtbarmachung von Zustand, Herkunft und Anwendungspraxis des Werkzeugs.
Jedes Sammelobjekt ist für mich allein Dokumentation seiner Verwendungspraxis.
Auf diese Weise erhalte ich Einblicke in die Entwicklungslinien der Werkzeugnutzung im Dorfhandwerk. Diese wird natürlich beeinflusst durch die Erfindungen führender Werkzeugmacher und der Entwicklung der Patente in der industriellen Fertigung von Werkzeugen. Gleichzeitig funktionieren aber auch alte Muster weiter, weil Einkaufsmöglichkeiten und wirtschaftliche Überlegungen dazu führten, dass die handwerkliche Werkzeugproduktion parallel zur industriellen Fertigung immer noch auch auf die Produktion von Einzelstücken ausgerichtet war. Diese Parallelität von weiter genutzter überkommener Ausübung und schon vorhandenen industriellen Optionen ist gerade für das Dorfhandwerk im 19. Jahrhundert prägend. Damit erreichten Entwicklungsfortschritte in der Entwicklung der Werkzeuge das Dorfhandwerk oft extrem zeitversetzt.
Generell kann aber wie in der Entwicklung der Fertigprodukte auch bei der Entwicklung der Werkzeuge die Struktur von der handwerklichen holzbasierten Einzelanfertigung zur industriellen stahlbasierten Serienproduktion festgestellt werden.
Gliederung
Abgrenzung von anderen Holzhandwerksberufen
Axt
Beil
Breitbeil
Mollenbeil, Dechsel
Hippe
Sachsensäge
Spaltkeil
Schäleisen
Hammer
Schnittmesser
Schabhobel
Ziehklinge
Raspel
Hobel
Stechbeitel
Säge
Bohrer
Zapfenfräse
Zirkel
Winkel
Schmiege
Anreißer (Streichmaß)
Schraubzwinge
Entwicklung der Werkzeuge
(Vom holzbasierten Handwerk zur stahlbasierten industriellen Fertigung)
Arbeitsmittel
(Hobelbank, Bankhaken, Fügbock, Schiebebock, Schnittstuhl, Radgrube, Schleifstein, Wagenheber, Kastenwinde)
Frühe Mechanisierung
(von Menschenkraft betriebene Drehbank)
Verschwinden von Werkzeugen durch die maschinengestützte Produktionstechnik
Abgrenzung der Berufsbilder des Zimmermanns, Schreiners und Küfers vom Wagner
Die wichtigsten Berufe, die Holz verarbeiteten, waren der Zimmermann, der Schreiner, der Küfer und der Wagner.
Daneben gab es noch den Rechenmacher.
Sie unterscheiden sich so sehr in der Art der verwendeten Hölzer, den Bearbeitungstechniken, den Werkzeugen und weiteren Bedingungen des Endproduktes, dass eine Spezialisierung notwendig war.
So gab es komplette Arbeitsabläufe, die in einem der Berufe essentiell waren, in den anderen aber gar nicht vorkommen. Ein Beispiel dafür sind die Biegetechniken, mit denen der Küfer die Eichendauben für ein Fass biegt. Oder die Radgrube, in der der Wagner die Speichen in die Nabe einschlägt. Sie wird nur von ihm gebraucht.
So verhält es sich auch mit den Werkzeugen. Die Löffelbohrer, mit denen vor Einsatz der handbetriebenen Buchsenlochfräse das Buchsenloch in die Nabe gebohrt wurde, werden von den anderen Berufen nicht verwendet. Wichtiger sonstiger Verwendungszweck waren die Löffelbohrer als Deichelbohrer, mit denen hölzerne Wasserleitungen hergestellt wurden. Weil diese Deichelbohrer aber einen entsprechend langen Schaft hatten, waren sie wiederum Spezialwerkzeuge, die ein eigenes Berufsbild prägten.
Deichelbohrer (Museumsdorf Kürnbach)
Die Handwerkzeuge des Wagners
Bezüglich der Reihenfolge der von mir vorgestellten Werkzeuge beginne ich dort, von wo für den Wagner seine Arbeit ausgeht: Beim Fällen der Bäume.
Axt, Spaltaxt
Äxte in der Werkstatt
Handgeschmiedete Axt mit Stiel aus Hickory, gefertigt von meinem Vater oder Großvater – d.h. mindestens schon seit 70 Jahren in Gebrauch
Die Prägung auf der handgeschmiedeten Axt könnte vom Dorfschmied für “Franzjörg” Krieg (Johann Franz Krieg) um 1800 gefertigt worden sein
Eine Spaltaxt ist schwerer, ihre Schneide hat Keilform und sie ist mit einer verstärkten Rückseite ausgestattet, damit diese auch als Hammer benutzt werden kann, mit dem Spaltkeile ins Holz getrieben werden.
Der obere Teil des Stammes, wo die Äste abzweigen, ist auch mit einem starken Hydraulikspalter nicht zu zerlegen. Mit mehreren Keilen und einer Spaltaxt ist das aber möglich.
Vergleich Axt und Spaltaxt
Spaltaxt und Spaltbeil
In einer Zeit, zu der Äxte und Beile von Hand geschmiedet werden mussten und wo Qualität nicht genormt war, konnte es schon geschehen, dass ein Spaltbeil den schweren Belastungen nicht standhielt und brach.
Damals war es einfacher, das Beil zu schweißen, als ein neues Beil zu schmieden.
Heute ist ein neues industriell gefertigtes Beil billiger als die Arbeit des Schweißens.
Werdegang eines Axtstiels aus Hickory
Früher war auf jedem größeren Bauernhof ein Schnittstuhl mit Schnittmesser zur Verfügung, um einfachere Reparaturarbeiten selbst erledigen zu können. So wurden auch manchmal Beilstiele selbst hergestellt, denen man ansehen konnte, dass sie nicht vom Profi gemacht wurden.
Beil
Das übliche Beil dient zum Spalten von Holz oder zum Zerkleinern von dünnen Ästen oder Reisig. Dafür wird ein Hackklotz benutzt – ein etwa 60 bis 80 cm hoher Abschnitt eines Baumstammes.
Beile, die mein Vater schon vor 50 Jahren für mich einstielte und mit Monogramm (FjK) versah
Der Stiel für das unterste Beil wurde von keinem Profi gemacht. In großen Bauernhöfen standen Schnittstühle und es waren auch Werkzeuge vorhanden, um solche Produkte auch selbst herzustellen.
Breitbeil
Das Breitbeil dient nicht zum Spalten, sondern zum gestaltenden Bearbeiten von Holz. Mit ihm wird das Werkstück aus dem Vollholz geschlagen und in seine grobe Form gebracht.
In der Zerspanungstechnik von Holz ist es das rudimentärste Handwerkszeug. Es fehlt jede Führung außer der frei schwingenden und gestaltend geführten Arbeitshand.
Das Breitbeil hat drei Merkmale:
- Die Schneide ist nur einseitig geschliffen
- Der Stiel ist gebogen, um beim Behauen von planen Flächen die Finger der Arbeitshand zu schützen
- Das Haus (Aufnahme) für den Stiel liegt nicht wie beim Beil zentrisch über der Schneide, sondern asymmetrisch, damit eine plane Bearbeitungsseite entsteht
Dieses Werkzeug verlor seine Bedeutung mit dem Aufkommen der elektrischen Bandsägen als eine der wichtigsten Bearbeitungsmaschinen von Holz in den Handwerkstätten der Ortschaften.
Links Äxte und Beile mit zentrisch angeordnetem Haus,
rechts Breitbeile mit asymmetisch angeordnetem Haus.
Das Breitbeil hat für Linkshänder eine andere Form als für Rechtshänder.
Für Rechtshänder ist der Stiel zum Körper des Bearbeitenden nach rechts außen geschwungen und die linke Beilseite ist als Bearbeitungsseite plan.
Da alle Breitbeile in meiner Werkstatt Rechtshänder-Beile sind, waren alle meine Vorfahren Rechtshänder.
Das gestaltende Arbeiten mit schweren Breitbeilen ist harte Arbeit. Deshalb gibt es auch kleinere Beile mit kurzen Stielen.
Das folgende schwere Breitbeil macht deutlich, warum Wagner wie Schmiede körperlich entsprechend konditioniert waren – sie machten täglich das, was man heute Bodybuilding nennt…
Mein Vater hatte den Ehrgeiz, diesen Stiel eines Breitbeiles nicht wie üblich in geschwungener Form auszuarbeiten, sondern abgekröpft.
Dieses Breitbeil ist sehr leicht geschmiedet und hat einen geraden Stiel.
Das Monogramm stammt von Heinrich Krieg senior (*1878). Er dürfte diesen Stiel auch noch vor dem Jahr 1900 gefertigt haben.
Auch dieses über 100 Jahre alte Breitbeil aus der Wagnerei Krieg hat einen geraden Stiel.
Dieses stattliche Breitbeil stammt nicht aus der Wagnerei. Es hat alle Merkmale eines Breitbeiles, nur ist der Stiel nicht geschwungen, sondern das Haus für den Stiel ist in der Fertigung des Metallteiles schon schräg angesetzt.
Dieses kleine, leichte Breitbeil ist mit Nagelzieher versehen und das Haus für den Stiel ist schräg angesetzt, so dass es mit einem geraden Stiel versehen werden kann.
Dechsel, Mollenbeil
Beim Dechsel und beim Mollenbeil steht die Schneide nicht in derselben Flucht wie der Stiel, sondern im rechten Winkel dazu.
Dechsel
Mollenbeil
Hippe
Die Hippe (regional mit unterschiedlichen Bezeichungen, z.B. “Schweizer Gertel”) ist kein allein wagnerspezifisches Werkzeug. Sie wurde in einer Zeit verwendet, in der in jedem Haushalt ein Küchenherd mit Holzfeuerung betrieben wurde und zu jedem Bauernhaus ein Backofen gehörte, der mit Holz befeuert wurde. Die Hippe diente zum “Ernten” von Reisig und dünneren Ästen.
Da der Wagner sein Holz oft aus dem eigenen (Pacht-)Wald bezog, gehörte die Hippe zum üblichen Werkzeugfundus. Mit ihr wurden die dünneren Beastungen vom Nutzholz entfernt.
Mit einer Hippe wurden dünnere Äste freigehauen. Zum Sammeln von dünnerem Feuerholz konnte der Haken an der mittleren Hippe zum Auflesen von Ästen genutzt werden, ohne sich tief bücken zu müssen.
Hippen in verschiedenen Formen
Noch nicht im Rahmen der Eingliederung in die Sammlung aufgearbeitete Hippen
Der Übergang von der Hippe zum Schlachterbeil
Ganz links eine Hippe – alles andere sind Schlachterbeile, die schwerer und mit besseren Griffen versehen sind.
Diese Stücke sind noch nicht zu Ausstellungszwecken aufbereitet.
So präsentieren sich die Beile nach der Aufbereitung
Diese beiden Hippen wurden als Spalteisen verwendet, wie solche vom Schindelmacher zum Abspalten von Schindeln oder vom Küfer zum Abspalten der Rohdauben benutzt werden.
Allerdings zeigen die Schlagspuren am Messer, dass es nicht sachgerecht mit Holzschlägel benutzt wurde, sondern mit Eisenhammer.
Hippen in verschiedener Ausführung
Säge (Sachsensäge, Blattsäge, Zweimann-Schrotsäge)
Mit dieser Säge wurden vor der Verwendung der Kettensäge Bäume gefällt oder Stämme und starke Äste abgelängt.
Weitere Sägen werden im späteren Verlauf des Kapitels “Werkzeuge” geschildert.
Die Sachensägen unterscheiden sich in der Länge, der Zähnung ….
… und in der Art der Fassung der Griffe.
Noch nicht zu Ausstellungszwecken aufbereitete Sägen
Mein Vater und mein Großvater in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts beim Sägen eines Baumstammes mit der Sachsensäge
Keil (Spaltkeil)
Spalthammer
Ein Spalthammer wird benutzt, um die Keile ins Holz zu treiben.
Die Rückseite der gewöhnlichen Axt ist üblicherweise nicht belastungsfähig genug und auch zu leicht. Es sei denn, man benutzt eine Spaltaxt.
Eisenkeil mit Holzschaft
Alte Spaltkeile mit Holzschaft
Die Keile wurden benutzt, um das Sterholz zu spalten.
Außerdem braucht man einen Fällkeil, um den Baum in die gewünschte Richtung zu neigen.
Der mittlere Keil hat am oberen Rand keinen Stabilisierungsring und kann deshalb so nicht verwendet werden. Das Holz würde zerbrechen.
Obwohl die Holzschäfte aus Hartholz (Eiche, Hainbuche) sind, werden sie durch die heftige Beanspruchung immer wieder zerstört
Spaltkeile in Einzelanfertigung durch den Schmied haben unterschiedliche Dimensionen. Die Holzschäfte müssen passgenau dazu angefertigt werden.
Heute wäre die Einzelanfertigung in Handarbeit zu teuer.
Neue Holzschäfte aus dem Fachhandel (rechts) sind genormt und bedürfen deshalb auch einer Norm für das Haus im Eisenkeil für die Schäftung
Eine besondere Form des Spaltkeils konnte ich im Bauernhausmuseum Wolfegg finden:
Die Bedienung muss allerdings von zwei Personen erfolgen.
Eisenkeil
Eisenkeile ohne Holzschaft werden direkt mit dem Spalthammer geschlagen. Da dieser aus Metall bestehen muss, um die Kraft zu erzeugen, die nötig ist zum Spalten von astigen Stammteilen, wird der Kopf des Keiles entsprechend beansprucht. Da die Dämpfung durch den Holzschaft fehlt, ist die Schlagwirkung auch sehr direkt.
Holzkeil
Besonders der Teil des Stammes, in dem sich die Krone in Äste aufteilt, ist extrem schwer zu spalten. Man braucht zunächst mehrere Eisenkeile, um einen Ansatz für eine Teilung zu finden. Um die Verastung aufzubrechen, müssen breitere Holzkeile aus Hartholz verwendet werden.
In einem solchen Fall kommt auch ein starker Hydraulik-Spalter an seine Grenzen. Die alte Methode mit Keilen funktioniert aber.
Schäleisen
Mit dem Schäleisen wurde die Rinde von Stämmen und Ästen abgeschält
Hammer
Vorschlaghammer
Vorschlaghammer mit 5 – 8 Kilo Gewicht. Die unregelmäßige Form spricht für Handschmiedearbeit. Die Stiele sind von meinem Vater oder Großvater gemacht.
Die dafür typische Benutzung in der Wagnerei besteht im Einschlagen der Buchse in die Nabe.
Fäustel
Schwere Fäustel mit 2 – 3 kg Gewicht.
Die dafür typische Benutzung in der Wagnerei besteht im Einschlagen der Speichen in die Nabe.
Leichte Fäustel mit 1 – 1,5 kg Gewicht
Hammer
Zum Einschlagen verschiedener Größen von Keilen und Stiften (Nägeln) aus Holz oder Metall werden auch verschiedene Hammergrößen benötigt
Holzhammer
Um die Holzgriffe von Werkzeugen wie z.B. Stemmbeitel schonend zu behandeln, werden diese mit Hämmern oder Schlägeln aus Holz benutzt. Diese können verschiedenste Formen haben. Einigen der hier präsentierten sieht man die häufige Benutzung über Jahrzehnte deutlich an.
Die verschiedenen Hauptelemente eines Bauernwagens werden mit Karrosserienägeln zusammengehalten.
Deren Kopf wird immer wieder auch in Hammerform ausgebildet, um für kleinere Arbeiten rund ums Fuhrwerk immer einen Hammer zur Verfügung zu haben.
Hämmer gehören wohl zu den Werkzeugen mit den vielfältigsten Formen und Verwendungszwecken.
Auch die Materialien können sehr unterschiedlich sein.
Hämmer aus Eisen, Kupfer, Holz, Kautschuk und Gummi. Ihr unterschiedlicher Härtegrad bestimmt den Verwendungszweck.
Mollenhauer, die Wannen und Tröge aus Stämmen fertigen, benutzen statt Holzschlägeln auch Hämmer aus gewickelter Rinderhaut.
Manche Hämmer sind für einen besonderen Verwendungszweck gefertigt.
Diese Sammlung von Hämmern ist zwar sehr unterschiedlich geformt, dient aber nur einem sehr eng begrenzten Verwendungszweck, der sich auf den ersten Blick nicht erschließt.
Erst wenn man das verjüngte Ende das Hammers näher betrachtet, verrät die Nut, dass es Setzhämmer sind, mit denen die Reifen am Fass festgetrieben werden. Ein Hammer wird mit der Nut am Reifen angesetzt, mit einem zweiten Hammer wird der Reif durch Schläge auf den ersten Hammer festgetrieben.
Nicht nur Küfer benutzten solche Hämmer. Sie gehörten zum Standardwerkzeug in jedem größeren Most- oder Weinkeller mit Holzfässern.
Diese Hämmer dienten Steinhauern zum Zerkleinen von Steinen.
Die langen schwingenden Stiele sind Hinweis auf den Verwendungszweck
Alle Handwerker, die Holz im Wald erwarben, signierten das von ihnen erworbene Holz mit einem Signierhammer. Er hat eine Seite, die wie ein kleines Beil ausgeformt ist, um Rinde abzuschälen und die andere Seite mit den Insignien des Handwerkers.
Schnittmesser (Zugmesser oder Zieheisen)
Das Schnittmesser ist nach dem Breitbeil die nächste Stufe der Führungsmöglichkeit der zerspanenden Klinge in der Holzbearbeitung. In diesem Fall wird das Messer mit beiden Händen geführt und erlaubt damit präzisere Arbeiten als mit dem Beil.
Das Schnittmesser wird meist auf dem Schnittbock benutzt.
Es wird bei der Bearbeitung mit beiden Händen zum Körper gezogen.
Je nach Bearbeitungszweck gibt es verschiedene Längen.
Von meinem Vater wurde aber nur eine mittlere Länge benutzt.
Das ist das typische Schnittmesser eines Wagners.
Solange es noch Wagner gab, machten zumindest die letzten Generationen Erfahrungen mit kriegerischen Handlungen.
Dieses Schnittmesser ist von einem Wagner, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verlor. An seiner Prothese war ein Haken, mit dem er dieses Messer führen konnte:
Küfer verwendeten geschwungene Schnittmesser, mit denen sie die Innenseite der Fassdauben bearbeiten konnten.
Das Schnittmesser wird frei geführt. Das Messer selbst hat keinen justierbaren Anschlag. Deshalb ist es für gröbere Arbeiten geeignet (aber feinere Arbeiten als mit dem Breitbeil).
Das Schnittmesser wird immer mit der nach außen auslaufenden Maserung des Holzes geführt. Gegen die Maserung geführt, läuft das Messer in das Werkstück, was evtl. Löcher im Fertigprodukt erzeugt.
Die typischste Verwendung des Schnittmessers in der Wagnerei besteht im Schneiden der Speichen eines Wagenrades. Dazu werden die Speichen in einer besonderen Vorrichtung der Werkbank eingespannt (siehe unter “Bankhaken”).
Daneben ist das Schnittmesser das besondere Werkzeug am Schnittstuhl, der im 19. Jh. in keiner Werkstatt für Holzbearbeitung fehlte. Jeder größere Bauernhof war auch damit ausgestattet, um kleinere Arbeiten selbst ausführen zu können.
Schabhobel (Schweifhobel)
Mit dem Schweifhobel ist die nächste Stufe in der Führung der Klinge beim Zerspanungsprozess von Holz erreicht. Durch die variable Fixierung der Klinge im Werkzeug kann der Spanabtrag justiert werden.
Durch die Justierung des Messers kann die Dicke der Spanabhebung eingestellt werden. Deshalb ist der Schabhobel geeigent, nach der Verwendung des Schnittmessers die Bearbeitungsspuren weitgehend zu beseitigen.
Die letzte Feinarbeit vor dem Einsatz von Schmiergelpapier kann mit der Ziehklinge gemacht werden. Die scharfe Kante der Klinge hebt nur sehr feine Späne ab.
Raspel
Die Raspel oder Holzfeile kann für punktuelle Abspanungen eingesetzt werden.
Sie sind erhältlich in flacher, halbrunder und runder Form.
Die beiden Seiten einer halbrunden Raspel: halbrund und flach.
Außerdem oben mit feiner Zähung und darunter mit grober Zähnung.
Hobel
Es gibt eine neue Seite auf dieser Homepage zum Thema Hobel.
Diese wurde in Verbindung mit einer grundsätzlichen Katalogisierung und Inventarisierung meiner Sammlung im Juni 2024 begonnen.
Grundsätzliche Konstruktionsunterschiede
Rauhbank
Schrupphobel
Schlichthobel
Doppelhobel
Putzhobel
Reformputzhobel
Simshobel
Profilhobel als Schrupphobel
Nuthobel
Profilhobel für konkave Flächen
Profilhobel für konvexe Flächen
Profilhobel für Winkel
Profilhobel für Leisten (Verzierungen)
Sonderformen
Der Hobel erlaubt eine kontrollierte Führung der zerspanenden Klinge.
Es gibt unterschiedlichste Hobel für verschiedene Zwecke. Vor dem Einsatz von Fräsmaschinen wurden z.B. auch im Fensterbau Profilhobel dazu benutzt, die Abstufungen in den Fensterrahmen zu hobeln.
Neben den Hämmern sind die Hobel die wohl in den vielgestaltigsten Ausführungen vorhandenen Werkzeuge.
Grundsätzliche Konstruktionsunterschiede
Hobelkörper aus einer Holzsorte
Hobelkörper mit Hobelsohle aus härterem Holz
Hobel mit Holzlager für den Befestigungskeil für das Messer
Hobel mit Metallblock für den Befestigungskeil
Hobel mit metallenem Anschlagpunkt zur Lockerung der Messerbefestigung
Einfaches Messer
Messer mit Klappe (Doppelhobel)
Messer mit Justiervorrichtung für die Klappe
Messer mit Aufnahmenippel für die Justierschraube
… in diesem Fall aber nicht benutzt
Die Rauhbank ist ein Langhobel, mit dem Balken und Bretter plan bearbeitet wurden. Seit dem Aufkommen von elektrisch betriebenen Hobelmaschinen und Abrichten verlor die Rauhbank ihre Bedeutung.
Ein Schrupphobel wird für rohe Zurichtarbeiten benötigt. Damit er tief ins Holz eingraben und entsprechend viel abtragen kann, ist er schmal und der Schliff der Klinge ist rund geformt.
An alten Möbeln aus Massivholz kann man auf der hinteren Seite der Rückwand meist noch die groben Spuren des Schrupphobels sehen.
Typische Maße:
Hobelsohle eben und 45 – 50 mm breit
Eisen 30 – 33 mm breit, abgerundet und im Winkel von 45° im Hobelkörper befestigt.
Der Schrupphobel ist üblicherweise mit einem einzelnen Eisen ausgestattet.
Alte Schrupphobel:
Es gibt aber auch Schrupphobel mit gerundeter Sohle.
Mit ihnen sind dann auch rinnenförmige Vertiefungen aushobelbar.
Daneben gibt es auch Hobel mit abgerundeter Schneide, deren Sohle schaukelartig geformt ist – Schiffhobel. Diese werden meist von Küfern verwendet.
Schrupphobel sind immer mit einfachem Messer ausgestattet – also ohne Klappe.
Mit dem Schlichthobel wird das mit dem Schrupphobel grob vorbearbeitete Werkstück geglättet (“geschlichtet”).
Schlichthobel mit einfachem Hobeleisen
Der Doppelhobel ist ein Schlichthobel oder Putzhobel mit Doppeleisen.
Das zweite Eisen, “Klappe” genannt, setzt etwa 1mm nach der Schneide des Hobeleisens an und bricht oder biegt den Hobelspan.
Der Putzhobel ist Synonym für Schlichthobel
In der Hobelsohle ist vor dem Eisen eine verstellbare Platte eingearbeitet. Damit ist der Spalt zwischen Messer und Hobelsohle einstellbar.
Dieser Reform-Putzhobel hat ein Doppeleisen. Das zweite Eisen (Klappe) bricht den Span nach dem Hobeln. Mit einer Rändelschraube kann der Anpressdruck der Klappe auf das Messer eingestellt werden.
Der Simshobel ist schmal und sein Messer reicht über die gesamte Breite der Hobelsohle.
Simshobel als Schruppbobel
bzw. Profilhobel zur Bearbeitung konkaver Flächen
Simshobel mit einfachem Messer
Simshobel mit Schlagblock zur Messerlockerung
Dieses Hobelmesser ist eigentlich auch als Doppelmesser verwendbar, sitzt aber als Einzelmesser im Hobel. Es ist so weit runtergeschliffen, dass es nicht weiter geschärft werden kann.
Simshobel mit Doppelmesser und mit beweglichem vorderen Sohlenteil (Reformhobel)
PROFILHOBEL (FACONHOBEL)
Typisch ist dieser Hobel z.B. für den Möbel- und den Fensterbau. Die Leisten in den alten geteilten Fenstern wurden nicht wie heute gefräst, sondern gehobelt.
Der Profilhobel wird auch Grathobel oder Nuthobel genannt – je nach dem, welches Profil damit erzeugt wird.
Es gibt auch Profilhobel mit zwei einzelnen Messern.
Manche Profilhobel haben einen verschiebbaren Anschlag. Dieser kann aus verschiedenen Materialien bestehen.
Zunächst ein Profilhobel mit Anschlag aus Holz.
Dieser Profilhobel hat einen Anschlag aus Aluminium.
Das hochwertigste Anschlagmaterial (entwicklungsgeschichtlich neueste?) ist Messing.
Profilhobel für konkave Flächen
Profilhobel für konvexe Flächen
Profilhobel für Winkel
Profilhobel für Leisten (Verzierungen)
Spezielle Hobelformen
GRUNDHOBEL
Der Grundhobel ist eine besondere Form des Nuthobels.
Dieser Grundhobel ist ohne Messer. Diese gibt es in verschiedenen Breiten, z.B. 10, 15 und 20 mm.
Hobel mit Stahlsohle
Dieser Hobel ist seiner Form nach ein Putzhobel mit Doppeleisen
Hobel für Stangen mit Stahlsohle
Hobel mit fast senkrecht stehendem Messer
Das Hobeleisen schabt damit über das Holz – es schneidet nicht.
Verwendung z.B. für die Stirnholzseite eines Werkstückes.
ZAHNHOBEL
Das Hobeleisen des Zahnhobels steht mit einem Schnittwinkel von 80° fast senkrecht. Das Eisen hat feine Rillen und rauht damit die Oberfläche des Werkstücks auf, um es z.B. zur Verleimung vorzubereiten.
SPANHOBEL
Mit dem Spanhobel wurden Späne gewonnen für den Bau von Spanschachteln.
Die Spanschachtel als Produkt
Meine Hobelsammlung ist mit Stand von Mitte 2020 auf 250 restaurierte Hobel angewachsen.
Stemmeisen, Stecheisen (Stechbeitel)
Die ältesten Stechbeitel waren Einzelanfertigungen durch Schmiede. Die Holzgriffe hatten keine genormte Form, sondern waren ebenfalls Einzelanfertigungen in sehr variabler Gestaltung.
Da der Stechbeitel mit einem Hammer ins Holz geschlagen wird, sollte der Holzgriff zwei Eisenarmierungen haben: Eine an der Unterseite, wo der Eisenbeitel gefasst wird und eine an der Oberseite, die mit dem Hammer geschlagen wird. Beide Eisenringe schützen den Holzgriff vor dem Ausbrechen.
An der sehr individuellen Form sowohl der Eisenteile als auch des Holzgriffs ist zu erkennen, dass diese Stemmeisen Einzelanfertigungen aus der handwerklichen Produktion sind. Am linken Stemmeisen erkannt man, warum auch an der Oberseite eine Eisenarmierung sein sollte.
Auch bei diesen Stemmbeiteln erkennt man die individuelle Form und das Fehlen der Armierung bei der Schlagfläche.
Das linke Stemmeisen besitzt schon die typische Normierung der industriellen Produktion, ist aber in diesem Fall ohne Griff.
Eigentlich sollten die Griffe aller Stemmbeitel mit Eisenarmierungen an beiden Enden versehen sein.
Die Eisenklingen dieser Beitel lassen schon die typische Normierung der industriellen Form erkennen, sind aber mit individuellen Griffen versehen. Am dritten Beitel von links erkannt man, wozu das Fehlen der Armierung unter der Schlagfläche führt.
Die beiden rechten Beitel lassen auch in der Form der Griffe die industrielle Normierung erkennen. Sie sind natürlich mit zwei Armierungen versehen.
Individuelle Einzelanfertigungen
Gemarkte industrielle Fertigungen
Die ersten vier wurden wohl nachträglich mit eigenem Heft versehen.
Die rechten beiden haben industriell genormtes Heft.
Hohlbeitel
Individuelle Einzelanfertigungen, an der konkaven Seite geschliffen
Alle Beitel sind auf der konvexen Seite geschliffen. 3 – 5 und ganz rechts sind mit Armierung unten und oben versehen. 4 und 5 haben industriell genormtes Heft.
Der Beitel ganz rechts ist eher ein kleiner Mollenbeitel in Form eines Hohlbeitels.
Drechselbeitel
Mit Drechselbeiteln wird auf der Drehbank gearbeitet – in der Wagnerei besteht die typischste Arbeit im Drehen der Naben. Drechselbeitel haben lange Griffe und keine Armierung an der Oberseite, weil sie nur gehalten und nicht geschlagen werden.
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Säge
Blattsäge oder “Sachsensäge”, auch Zweimann-Schrotsäge (siehe ganz oben)
Gespannte Strecksägen: Gestellsäge
Jede Gestellsäge besteht aus dem Sägeblatt, dem hölzernen Gestell und der Spannvorrichtung.
Am unteren Ende der Holmen ist das Sägeblatt befestigt und an den gegenüberliegenden Enden die Spannvorrichtung.
Der Sägesteg gibt die definierte und der Länge der Säge entsprechende Distanz der beiden Holme vor.
Varianten gibt es bezüglich
- dem Sägeblatt
- der Fassung des Sägeblattes und
- der Spannvorrichtung.
Zunächst die beiden Gestellsägen mit dem längsten und dem kürzesten Sägeblatt aus meiner Sammlung:
Meine größte Gestellsäge hat eine Blattlänge (wirksame gezähnte Schnittlänge) von 81 cm, die kürzeste von 51,5 cm.
Dazwischen gibt es jede Länge fast im Zentimetertakt. Eine Normierung ist nicht zu erkennen. Jeder Hersteller hat seine eigene Blattlänge hergestellt und dazu das Gestell geliefert.
Die Recherche in meinem Lager unter drei Dutzend Gestellsägen hat ein neues Hit-Paar erbracht:
Das kürzeste Sägeblatt von 46 cm Länge und das längste von 85 cm Länge.
Das breiteste und das schmalste Sägeblatt in Gestellsägen aus meiner Sammlung:
Das breiteste Blatt misst 52 mm und das schmalste nur 8 mm.
Der Verwendungszweck der Gestellsäge wird vornehmlich durch das Sägeblatt vorgegeben.
Breite Sägeblätter sind gut für gerade Schnitte, mit schmalen Sägeblättern sind auch gekrümmte Schnitte realisierbar.
Die Zähnung reicht in meiner Sammlung von 13 Zähnen pro Dezimeter bis zu 39 Zähnen/dm.
Da das Sägeblatt gespannt (gestreckt) ist, können auch dünne Sägeblätter verwendet werden.
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Fassung des Sägeblattes im Gestell
In der ältesten Form hat das Sägeblatt einen schmalen Fortsatz, der in den runden Griff ragt und darin mit einem Nagel gefasst ist:
Die nächste Entwicklungsstufe stellt der am Sägeblatt angenietete Adapter dar:
Als nächster Entwicklungsschritt folgte der Ersatz der Niete durch eine Schraube. Der Adapter ist natürlich mit einer Schraube im Griff gefasst und ist jetzt nicht mehr Teil des Blattes, sondern Teil des Gestells:
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Spannvorrichtung
Die ursprüngliche Spannvorrichtung bestand in Hanfschnüren, die mit einem Knebel durch Drehen gespannt wurden. Dasselbe ist auch mit Draht möglich:
Der nächste Schritt besteht darin, den vorgedrehten Draht mit einer Flügelmutter zu spannen:
Der vorgedrehte Draht kann auch durch eine Stange ersetzt werden:
Der letzte Entwicklungsschritt besteht in der Verwendung eines Schnellspannhebels:
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Markung
Mein Großvater hieß wie mein Vater “Heinrich Krieg”.
Natürlich markte er seine Werkzeuge mit HK.
Wie meine Sammlung zeigt, waren Gestellsägen um das Jahr 1900 sehr vielgestaltig und weit von einer Normierung entfernt.
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Gespannte Strecksägen: Bügelsäge
Große Bügelsäge ohne weitere Spannvorrichtung, die entweder zu zweit bedient werden kann oder aber von einer Person sowohl auf Stoß als auch auf Zug benutzt werden kann.
Große Bügelsäge mit zusätzlicher Spannvorrichtung (Flügelmutter) und typischem Griff einer Fuchsschwanzsäge.
Bügelsäge mit Schnellspannvorrichtung
Bügelsäge mit Schnellspannvorrichtung
“Baumsäge” (oder auch Astsäge) ohne Spannvorrichtung
“Baumsäge” für die Schnittpflege an Bäumen mit einfacher Spannvorrichtung per Flügelmutter
Dieselbe Baumsäge wie oben in alternativer Form
Baumsäge in der Form, die später auch für Schnellspannvorrichtung benutzt wurde, hier aber nur mit einfacher Spannung über 2 Flügelmuttern.
Baumsäge mit Schnellspannhebel (oben ist der Arretierungshaken).
Diese Säge wurde von meinem Vater benutzt, der im Zweitberuf Obstbaumwart war. Sein Name ist im Rahmen eingeschlagen.
Weitere Baumsägen mit Schnellspannvorrichtung:
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Gehrungssäge
Für 45°-Gehrungen (z.B. Bilderrahmen) genügt eine Schablone:
Will man beliebige Winkel sägen, braucht man eine verstellbare Gehrungssäge:
Ungespannte Heftsägen:
Fuchsschwanz
Große Fuchsschwanzsägen
Weitere Fuchsschwanzsägen in üblicher Größe:
(Die Zähung ist auf Stoß ausgerichtet)
Diese Fuchsschwanzsäge ist werksseitig mit Messingeinlage im Griff armiert und von meinem Großvater mit seinen Initialen HK gemarkt.
Fuchsschwanzsäge mit alternativem Griff (englische Fertigung?)
Fuchsschwanzsägen mit schmalem Blatt für geschwungene Schnitte
Die untere Säge mit alternativem Griff
Feinsäge
Feinsägen sind am oberen Rand durch eine Fassung aus Metall verstärkt.
Feinsägen mit abgekröpftem Griff
Diese Feinsäge hat zwei Blätter. Das breitere ist demontierbar.
Eine Feinsäge mit dem typischen Griff einer Fuchsschwanzsäge
Gratsäge
Gratsägen sind auf Zug gearbeitet und haben unterschiedliche Formen und unterschiedliche Zähnung.
Gratsäge mit Besitzermarkung
Diese Feinsäge mit abgewinkeltem Griff hat zwei Sägeblätter, von denen jeweils eine Hälfte auf Zug und eine Hälfte auf Druck (Stoß) gearbeitet ist.
Bohrer
Löffelbohrer
Löffelbohrer werden vom Wagner benutzt, um in die Nabe das Loch für die Buchse einzudrehen. Dazu wird das Rad auf einem Bock festgezurrt. Das Eindrehen des Buchsenloches muss mit so viel Kraft geschehen, dass der Löffelbohrer mit einem eisenbeschlagenen Heft geführt wird und auch bei Bedarf eine Verlängerung benutzt wird. Die Kräfte sind so groß, dass dieses viereckige Loch im Heft mit der Zeit rund ausfranst. Auch der kalte Schmiedestahl des Löffelbohrers wird mit der Zeit verdreht. Am unteren Ende des Bohrers ist ein Haken, an den ein Gewicht gehängt werden kann, weil alle Kraft für die Drehung des Bohrers aufgewendet werden muss und der Bohrer nicht gleichzeitig ins Werkstück gedrückt werden kann.
Nur ein Löffelbohrer aus meiner Sammlung besitzt eine eingeschlagene Jahreszahl – in diesem Fall 1830, wohl von der zweiten Generation nach Gründung der Wagnerei Krieg in Rotenfels angeschafft. Da das alte Gebäude erst 1898 erstellt wurde, wird damit deutlich, dass die alten Werkzeuge aus den 3 Generationen zuvor mit ins neue Wagnereigebäude übernommen wurden.
Außer diesen beiden Löffelbohrern habe ich noch weitere 8 Löffelbohrer in meiner Sammlung, von denen wohl welche über 200 Jahre alt sein dürften und zur Erstausstattung der Wagnerei im Jahr 1797 gehörten. Es dürften wohl diejenigen sein, denen man die grobe Handschmiedearbeit ansieht, die ungemarkt sind (ohne Schmiedezeichen) und wohl vom Dorfschmied angefertigt worden waren.
Merkmale eines Löffelbohrers
Da Löffelbohrer genuin vom Schmied in Einzelfertigung von Hand gemacht wurden, unterliegen sie keiner Normung. Alle Merkmale und Maße sind individuell.
– Die Fassung für die Aufnahme im Heft ist unterschiedlich, so dass für jeden Löffelbohrer idealerweise auch ein eigenes Heft benötigt wurde – es sei denn, ein Schmied hat mehrere Bohrer für ein bestimmtes Heft gefertigt.
– Die Länge des Schaftes ist bei jedem Löffelbohrer anders
– Manche Löffelbohrer, die von spezialisierten Werkzeugschmieden hergestellt wurden, tragen ein Schmiedezeichen
– Der Bohrkonus hat unterschiedliche Längen, steht in seinem Außenwinkel aber fest und entspricht dem Konuswinkel einer Buchse, die wiederum dem Konuswinkel der Achse angepasst ist.
– Jeder große Löffelbohrer trägt um unteren Ende einen Haken.
Einbohren des Buchsenloches in die Nabe
Dies war der letzte Fertigungsschritt eines Wagenrades beim Wagner. Zuerst ging die Nabe zum Schmied, um die inneren beiden Ringe anzulegen, damit die Nabe beim Einschlagen der Speichen nicht zerreißt – sie besteht ja im mittleren Bereich fast nur aus Löchern. Dann baute der Wagner das Rad fertig, bevor es zum zweiten Mal zum Schmied ging, um die äußeren Ringe auf der Nabe zu erhalten und den Außenreif aufzuziehen. Damit das Buchsenloch möglichst mittig im Rad und senkrecht zur Gesamtgeometrie des Rades eingebohrt werden kann, erfolgte dieser Fertigungschritt erst ganz am Schluss. Dafür musste das Rad fest auf einem Bock fixiert und auch am Boden festgezurrt werden. Jede Nabe hatte aus der Vorfertigung vor dem Trocknungsprozess schon ein Mittelloch. Nun wurde mit zunächst kleinerem Löffelbohrer und danach mit größerem bis zur endgültigen Bohrlochdimension für die Buches das Buchsenloch ausgeschabt. Voraussetzung war, dass der Bohrer frisch geschärft war. Trotzdem waren die einzusetzenden Kräfte wo groß, dass das Heft äußerst stabil sein musste (Eiche, mit Eisen armiert). Oft musste das Heft durch Rohre verlängert werden, damit 2 Personen die Drehung übernehmen konnten. Damit der Löffelbohrer in die Buchse gezogen werden konnte, wurde am Haken ein Gewicht angehängt.
In diesem Fall wurde das Heft durch angebundene Holzer verlängert, so dass zwei Buben (damals war Kinderarbeit noch nicht verboten) den Löffelbohrer drehen können – natürlich in Rechtshänder-Drehrichtung. Ein Geselle steht auf dem Rad, fixiert es neben der Befestigung durch Ketten dadurch mit seinem Körpergewicht und steuert den senkrechten Winkel beim Bohren. Er könnte den Bohrer auch nach unten drücken, macht das wohl aber nicht.
Zwei Details sind wohl nicht korrekt:
– Wenn er den Bohrer nicht nach unten drückt, muss dieser durch ein angehängtes Gewicht nach unten gezogen werden. Dafür ist das Rad aber zu nahe am Boden und nicht auf einem Radbock befestigt.
– Nach der Form der Nabe zu schließen, wird das Loch von der Außenseite her gebohrt, was falsch ist. Das Buchsenloch hat den größeren Durchmesser auf der Innenseite des Rades.
Die dabei einzusetzenden Kräfte sind so groß, dass das Loch auch eines eisenbeschlagenen Heftes mit der Zeit ausleiert und dass der kalte Schmiedestahl der Fassung des Bohrers verdreht wird.
Man kann erkennen, dass nicht nur die massive Schmiedestahlfassung des Löffelbohrers nach rechts verdreht ist (Rechtshänderdrehung), sondern dass die Kanten der Fassung auch inzwischen abgerundet sind.
Mein Vater 1947 beim Ausbohren eines Buchsenloches mit einem kleineren Löffelbohrer. Das Rad liegt auf dem Radbock. Die gebeugte Haltung spricht für das Eindrücken des Bohrers von Hand in die Bohrung und natürlich geschieht die Bohrung von der Innenseite des Rades her, was an der Form der Buchse und an der Neigung der Speichen abzulesen ist.
Der Blick geht in den Garten hinter der Werkstatt, der damals noch in Blickrichtung rechts bis zur Bahn reichte und gerade aus bis zur Kirchstraße.
Fassungsformen
Schaftlängen
Das Verhältnis von Bohrergröße und Schaftlänge ist bei jedem Löffelbohrer unterschiedlich, wobei festrzustellen ist, dass schwerere Bohrer eher kurze Schäfte haben.
Haken
Fast jeder Löffelbohrer hat ein Loch, um ihn aufhängen zu können. Dies ist entweder im oberen Teil des Bohrkonus angebracht oder am oberen Ende der Fassung. Und das mit gutem Grund: Ein Löffelbohrer steht ansonsten auf dem Boden einer Werkstatt, die früher immer aus gestampftem Lehm bestand. Dieser konnte Feuchtigkeit binden, was dafür sorgte, dass der empfindliche Haken um unteren Ende des schweren Löffelbohrers entsprechend schnell abrostete. Nur etwa die Hälfte meiner Löffelbohrer verfügt noch über den ursprünglichen Haken.
In diesem Fall fehlt mit dem Haken das untere Ende des Bohrkonus
Schmiedezeichen
Schmiedearbeit von Hand
Über dem Bohrkonus hat der Schmied das Eisen zum Schaft gefaltet. Diese Faltstruktur ist noch deutlich zu erkennen.
Auch bei diesem Beispiel sind die Hammerschläge und die Struktur der Faltung deutlich zu erkennen.
Besondere Löffelbohrer mit entsprechend langem Heft waren die Deichelbohrer, mit denen Wasserleitungen aus Holz gebohrt wurden.
Zur Nachbesserung von per großem Löffelbohrer gebohrten Buchsenlöchern dienten kleinere Löffelbohrer mit eigenem Heft.
Dieser Löffelbohrer ist mit Haken versehen, obwohl bei dieser Größe nicht unbedingt ein Haken notwendig war, weil dieser Löffelbohrer von einer Person sowohl gedreht als auch in das Werkstück gedrückt werden konnte. Weiter oben sieht man meinen Vater 1947 bei der Benutzung eben dieses Löffelbohrers.
Bei diesem Löffelbohrer wurde auf den Haken verzichtet, ebenfalls beim folgenden Bohrer
Weitere Bohrertypen für Benutzung mit Heft
Abbildungen aus Hans-Tewes Schadwinkel und Günther Heine “Das Werkzeug des Zimmermanns”, Verlag Th. Schäfer in Hannover, 3. Auflage von 1999
Bezüglich der Bezeichnungen finden sich immer wieder auch alternative Lösungen. So wird der “Flachkolben” auch als “Spatelfassung” bezeichnet oder der Vierkantkolben als konische Viertkantfassung.
Der Zentrumsbohrer wird auch als Flachfräsbohrer, Spatenbohrer oder Paddelbohrer bezeichnet.
Und der Schlangenbohrer ist auch als Spiralbohrer oder Schraubenbohrer bekannt.
Ein Satz Doppelwendel-Schlangenbohrer mit Flachfassung zur Benutzung mit Heft.
Bohrwinden
Handbohrmaschinen
Bohrer für Bohrwinden und verschiedene Bohrfutter
Bohrer für Bohrmaschinen
Spiralbohrer
Drillbohrer
Schlangenbohrer
Flachfräsbohrer
Forstnerbohrer
Zapfenfräse
Schraubzwinge
Anreißer (Streichmaß)
Zirkel
Stechzirkel
Greifzirkel
Winkel
Rechter Winkel, Winkellehre (Schmiege)
Schieblehre (Messschieber)
Zange
Beißzange
Flachzange
Rohrzange
Ahle
Schraubendreher
Engländer und Franzose
Schraubenschlüssel
Arbeitsmittel
Hobelbank
Bankhaken
Damit konnten z.B. Bretter zum Hobeln auf der Werkbank (Hobelbank) fixiert werden. Links aus Holz, die rechten beiden Paare aus Eisen.
Bankhaken für den Speichenschnitt
Oben aus Holz mit Speichenhalterung aus Eisen, unten komplett aus Eisen.
Die Speiche konnte zwischen den beiden Dornen fixiert und bei der Bearbeitung auch gedreht werden.
Schnittstuhl
Fügbock (Klemmbock) mit Niederhalter
Schiebebock
Radgrube
Schleifstein
Wagenheber
Kastenwinde
Entwicklung der Werkzeuge
Vom holzbasierten Handwerk zur stahlbasierten industriellen Fertigung – und damit auch von der Einzelfertigung zur Serienproduktion
Die ältesten Werkzeuge, die ich in der Werkstatt meiner Vorväter finden konnte, waren entweder vom Wagner selbst aus Holz gefertigt, vom Schmied handgeschmiedet oder von beiden in Kooperation hergestellt.
Allgemein kann man den Trend vom zunächst holzbasierten Handwerk, bzw. der Kooperation von Wagner und Schmied, zur stahlbasierten industriellen Fertigung feststellen. Dieser Trend gilt nicht nur für die Werkzeuge, sondern auch für die Fertigprodukte. Der Tod des Wagnerberufes bestand im Übergang vom holzbasierten Wagenbau zum stahlbasierten Karrosseriebau. Dieser wurde schon vorher in den Fertigprodukten wie Pflügen, Eggen und anderen Werkzeugen für die Feldbestellung vorweg genommen.
Rechter Winkel aus Holz – und schließlich aus Stahl
Schiebelehre aus Holz und Stahl
Stechzirkel aus Holz und aus Stahl
Streichmaße aus Holz und aus Stahl
Schraubzwinge aus Holz und aus Stahl
Die Kombinationslösung ist die Schraubzwinge aus Holz, die durch eine Metallstange verstärkt wurde.
Bremsschuh aus Holz und aus Stahl
Bohrleiern und Drillbohrer aus Holz
Die älteste Bohrleier aus dem eigenen Familienbesitz ist 150 – 200 Jahre alt und wurde vom Wagner in Kooperation mit dem Schmied hergestellt.
Der Bohrer wurde über 2 Eisenringe und Keilen am Leierschaft befestigt.
Im folgenden Bild sieht man meinen Opa väterlicherseits (Heinrich Krieg) mit eben dieser Bohrleier arbeiten. Rechts steht der Älteste der 7 Kinder, der eigentlich die Werkstatt übernehmen sollte und dessen kleiner Sohn. Karl, wie der Älteste hieß, ist aber im 2. WK gefallen.
Zapfenfräse aus Holz und Zapfenfräse aus Stahl
Sackkarre aus Holz, aus Holz und Stahl und komplett aus Stahl
Seilrolle aus Holz, aus Holz und Stahl und nur aus Stahl
Wagenheber aus Holz und Wagenheber aus Eisen mit Holzgehäuse (Kastenwinde)
Frühe Mechanisierung
(von Menschenkraft betriebene Drehbank)
Siehe unter MASCHINEN