Gliederungspunkte
Prinzipielle Konstruktionsmerkmale
Liste der Wagenteile
Unterschiede, die durch Verwendungszweck und Tonnage bestimmt sind
Unterschiede, die von der Topographie des Verwendungsraumes bestimmt sind
Gewichtung der Arbeiten von Wagner und Schmied
Regionale und persönliche Varianten
Schmiedearbeit
Prinzipielle Konstruktionsmerkmale
Ein Wagen besteht aus Fahrgestell und Aufbau.
1. Fahrgestell
Bestandteile des Fahrgestells sind
a) das Vordergestell
b) das Hintergestell
c) die Deichsel und die Langwied, die beide Gestelle verbindet und
d) die Bremseinrichtung
1a) Vordergestell
Im Wesentlichen besteht das Vordergestell aus dem Achsenstock, der die Achse mit den Rädern aufnimmt und den Deichselarmen, die die Deichsel aufnehmen.
Hinzu kommt die Verbindung der hinteren Enden der Deichselarme, auf der die Langwied aufliegt und die Bremseinrichtung.
1b) Hintergestell
Auch dieses besteht aus dem Achsenstock und den Wetterarmen.
Bei manchen Wagentypen enthält es ebenfalls eine Bremseinrichtung für die Hinterräder. Das Flacheisen mit den Haken quer über die Wetterarme bildet die Aufhängung für den Bremsbalken.
2. Aufbau
Der Aufbau liegt auf beiden Achsenstöcken auf Schemeln auf. Manchmal gibt es auch noch einen Mittelschemel, der auf der Langwied aufsitzt.
Den Aufbau gibt es als Leiterwagenaufbau und als Kastenwagenaufbau. Der Leiterwagen wurde für Heu und Getreide benutzt und der Kastenwagen für Früchte wie Kartoffeln, Rüben, Obst, etc.
Kastenwagen
Nimmt man aus dem im Bild gezeigten Kastenwagen die Seitenbretter heraus, erhält man einen Leiterwagen.
Die Seitenwände des Aufbaus wurden bei schwerer Beladung durch Rungen auf den Achsen abgestützt.
Die Rungen stehen hier seitlich am Wagen
Schmiedearbeit
Ein Hinweis auf das Alter eines Wagens sind die Muttern.
Diese wurden zunächst vom Schmied in Einzelanfertigung aus einem Bandstahl quadratisch abgeschnitten, mit Loch und Gewinde versehen. Damit war jede Mutter zunächst ein nicht genormtes Einzelstück. Genormte Schlüsselgrößen konnten nur zufälligerweise passen. Danach wurden Vierkantmuttern von der Industrie maschinell hergestellt. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurden im Handwerk Sechskantmuttern üblich. Bei Reparaturarbeiten wurden manchmal Muttern ersetzt, so dass es Wagenteile gibt, an denen alle drei Mutterntypen zu sehen sind.
Für handgefertigte ungenormte Vierkantmuttern konnte nur der “Engländer” oder wie hier der “Franzose” passen, ein stufenlos einstellbares Schlüsselwerkzeug. Der Engländer hat nur ein Maul, der Franzose ein beiseitiges Doppelmaul.
Die Muttern am folgenden Achsenstock vereinen alle drei Typen von Muttern:
Das folgende Bild zeigt verschiedene bemerkenswerte Befunde:
– Verschiedene Muttern zeigen die historische Verortung von der handschmiedetechnischen Einzelanfertigung von Vierkantmuttern bist zur industriell gefertigten Sechskantmutter
– Das Loch in der Achse für den Karrosserienagel, der Achsenstock, Drehschemel und Langwied drehbar verbindet, zeigt, dass es sich um einen vorderen Achsenstock handelt
– Die aufwändige Bremsvorrichtung mit stangengeführter symmetrischer Führung des Bremsbalkens deutet auf einen teuren Wagentyp
Es gibt handgeschmiedete und maschinengeschmiedete Achsen.
Handgeschmiedete Achsen sind immer individuell geprägt.
In diesem Fall sind die Achsnägel speziell für die vier Enden der zwei Achsen gefertigt und mit Punkten markiert. Die Markierung an den Achsen befindet sich an der Unterseite.
Die 3 und die 4 stehen für die Hinterachse.
Die Achsnägel sind mit Trittplatten versehen.
Die Achse wird durch Achsklammern im Achsenstock fixiert.
Diese sind aus zwei Teilen gefertigt, wovon die eigentliche Klammer mit Gewinden aus einem Stück Bandstahl geschmiedet ist.
Die Bremsvorrichtungen an Acker- und Lastenwägen sind vielfältig und sind bestimmt durch die Topographie des Einsatzraumes und die zu transportierenden Lasten.
Zunächst hier eine einfache Hinterbremse, mit der über eine Kette ein Bremsbalken an die Räder angezogen wird.
… wird weitergeführt
Die Deichsel
Mich erreichte folgende Anfrage:
“Auf der Suche, wie wohl die Deichsel an so einem Erntewagen aussah und das Geschirr angeschlagen war, bin ich auf ihre Seite gestoßen. Vielleicht haben sie Fotos, um mir die Frage zu erklären!?…eventuell möchte ich diese Teile nachbauen.”
Ich habe diese Frage zum Anlass genommen, eine Antwort zu verfassen und diese gleich hier einzustellen.
Dass inzwischen für viele nicht mehr nachvollziehbar ist, wie eine Deichsel gebaut war und wie sie funktionierte, verwundert nicht.
Bauer zu sein, war ein täglicher Knochenjob von morgens früh bis sehr spät am Abend. Den Takt gaben dabei die Bedürfnisse der Tiere, Saat, Pflege und Ernte aller Feldfrüchte, der Einschlag von Holz (Holz war die einzige selbst erzeugbare Energiequelle für Heizung, Kochen, Backen und zur Zubereitung von heißem Wasser für das Waschen und Baden), das Schlachten und Verarbeiten der Tiere und viel mehr an. Nicht zuletzt spielte das Wetter eine entscheidende Rolle. Da musste dann auch mal am Sonntag der Weizen eingefahren werden, bevor er durch ein Unwetter zerstört wurde.
Ansonsten zwang der Sonntag dazu, den täglichen Arbeitsrhythmus etwas abzubremsen, um sich nicht „tot zu arbeiten“.
Die strengste Disziplin erforderten die Zugtiere, insbesondere die Kühe, die täglich gefüttert, ausgemistet und gemolken werden mussten.
Nach dem zweiten Weltkrieg und mit dem Aufkommen des Wirtschaftswunders in den 50er Jahren ermöglichte der Traktor als inzwischen auch für den Kleinbauer erwerbbares Arbeitsmittel den Umstieg von der aufwändigen Haltung der Zugtiere zum Traktor als Alternative. Gleichzeitig musste jeder Bauer sich entscheiden, ob er in der Landwirtschaft seinen Haupterwerb sah und auf die Bearbeitung von großen Flächen umstieg oder ob er in Handwerk oder Industrie arbeitete und die Landwirtschaft nur noch als Feierabendbauer im Nebenerwerb betrieb.
Damit zog der Bauer seinen alten hölzernen Erntewagen vor der Anschaffung eines neuen Hängers mit dem Traktor. Dafür musste die Deichsel weg und eine Anhängevorrichtung für die Kupplung am Traktor musste angebracht werden.
In den 50er und 60er Jahren verschwanden die von Kühen gezogenen Erntewagen fast vollständig.
Damit verschwand als erstes Element des Bauernwagens die Deichsel.
Die Deichsel war eigentlich nicht der Ansatz für das Geschirr. Sie diente nur der Lenkung. Der eigentliche Fixpunkt für die Zugtiere am Wagen war das Waagscheit. Dieses war aber nicht an der Deichsel, sondern vorne an den Deichselarmen im vorderen Gestell befestigt. Die Kraft, die die Zugtiere aufbrachten, ging vom „Kummet“ an zwei Seilen rechts und links vom Tier zum Waagscheit und von dort auf die Deichselarme des vorderen Wagengestells (Deichselarme und Achsenstock).
Die Befestigung der Zugtiere an der Deichsel vorne diente nicht der Kraftübertragung, sondern nur, um über die Deichsel den Wagen zu lenken.
Die Stabilität der Deichsel wurde durch die durchlaufende Maserung und durch Astfreiheit gewährleistet.
Sie steckte zwischen den vorderen Ausläufen der Deichselarme und war darin mit einem Bolzen befestigt. Ein unterer eiserner Anschlag vorne und ein eiserner Anschlag an der Oberseite hinter dem Bolzen hielt die Deichsel in ihrer horizontalen Position, ermöglichte aber das Hochkappen der Deichsel.
Die Fassung zwischen den Deichselarmen erforderten eine Rechteckform, die nach vorne langsam in eine Rundform überging.
Am Beschlag an der runden Vorderseite der Deichsel wurden die Zugtiere befestigt. Diese Befestigung diente aber nicht der Kraftübertragung beim Zug, sondern nur der Lenkung.
Die Aufnahme der Deichsel zwischen den Deichselarmen und die Deichsel in hochgeklapptem Zustand.
Beschlag am vorderen Ende der Deichsel
Über das Waagscheit für ein oder zwei Zugtiere wurde die Zugkraft auf das vordere Achsgestell des Wagens übertragen.
Für den Traktor verschwand die Deichsel.
Stattdessen wurde eine Anhängevorrichtung an den Deichselarmen und in diesem Fall auch am vorderen Achsenstock befestigt.