Wagnergeschlecht Krieg

Gliederungspunkte

Der Wagner –
ein generationenübergreifender Beruf

Wenn mich jemand fragt, wie lange es dauert, ein Speichenrad anzufertigen, antworte ich mit: „Etwa 10 Jahre“.

Dieser irritierenden Antwort muss natürlich eine Erklärung folgen.

Der Fertigungsprozess eines Speichenrades beginnt mit dem Sonntagsspaziergang des Wagners durch seinen Wald. Dabei fällt die Entscheidung, welche Eiche zur Produktion von Naben, welche Akazie zur Fertigung von Speichen und welche Esche zur Produktion von Felgen im kommenden Winter geschlagen werden soll.

Nach dem Fällen der entsprechenden Bäume müssen diese auch produktorientiert aufbereitet werden: Der Stamm und die dicken Äste der Eiche werden in Rollen geschnitten, die zur Rohform der verschiedenen Nabengrößen gedrechselt werden; auch die Akazie wird in Rollen gesägt, die zu den Rohformen der verschiedenen Speichengrößen gespalten werden, und die Esche wird in Dielen verschiedener Stärken gesägt, aus denen später Felgen ausgesägt werden können.

Danach gehen die Eschendielen und die Halbfertigprodukte der Naben und Speichen in den Trocknungsprozess an einem luftigen und trockenen Ort (Werkstattspeicher oder Schuppen). Pro cm Stärke muss man bei Dielen z.B. mit einem Jahr Trocknungszeit rechnen. Ein 80er Dielen liegt also 8 Jahre im Trocknungsspeicher.

Erhält der Wagner einen Auftrag zur Produktion eines Wagenrades, bestimmt er dessen Dimensionen anhand dem Verwendungszweck, um dann die Halbfertigprodukte der entsprechenden Größe aus dem Trocknungsspeicher auszusuchen. Das bedeutet, dass der Wagner immer genügend Halbfertigprodukte aller Größenordnungen vom Schubkarrenrad über das Handwagenrad bis zum schweren Hinterrad eines Lastenwagens (für Baumstämme oder Steine aus dem Steinbruch) schon Jahre im Voraus vorrätig halten muss.

Eben diese Forderung bedingt eine Vorlaufzeit von etwa 10 Jahren.

Danach ist ein Wagenrad an einem Tag zu fertigen.

Der „Franzjörg“ Krieg, der 1797 in Rotenfels eine eigene Wagnerei unter der Konkurrenz von etwa 10 weiteren Wagnern im Ort eröffnete, hatte diese Vorlaufzeit nicht zur Verfügung. Er musste sich also zunächst auf einfache Reparaturarbeiten und auf die Produktion von Stielen und weiteren kleiner dimensionierten Produkten konzentrieren, die eine vorherige Lagerung von größer dimensionierten Halbfertigprodukten nicht erforderten. Gleichzeitig musste er viel Holz einschlagen und für die Trocknung vorbereiten, um sich die Ressource zu erarbeiten, die erst einige Jahre später die Produktion z.B. eines ganzen Wagens ermöglichte.

Das bedeutete wohl die Investition aller Möglichkeiten bei gleichzeitig sparsamster Lebensweise.

Es dürfte 10 bis 20 Jahre gedauert haben, um sich aus diesem Nachteil der fehlenden eigenen Trocknungsressource heraus gearbeitet zu haben.

Allerdings war die Wahl von Rotenfels mit seiner großen Konkurrenz an Wagnern auch logisch: Das Fürstenhaus, das auch für den Bau des Schlosses, der Steinzeugfabrikation und des Hofgutes zuständig war, hatte entschieden, in Rotenfels bei der fürstlichen Sägemühle ein Nutzholzmagazin zu bauen, in dem Hölzer aus den fürstlichen Wäldern für die verschiedenen Berufe in fertiger Konfektionierung und vorgetrocknetem Zustand gekauft werden konnten. Für einen Wagner ohne ererbte Übernahme von Holzvorräten war das eine zwar kostspielige, aber immerhin machbare Alternative.
Das Nutzholzmagazin war wohl von 1780 bis 1840 in Betrieb.

Der Vater des „Franzjörg“ war laut Sterbeeintrag „Wagner und Taglöhner“, was bedeutet, dass seine Wagnerei nicht gut lief. Dem Sohn Franz des Georg Krieg aus Simonswald-Prechtal stand also zuhause diese gute Ressource wohl nicht zur Verfügung, was ihn veranlasste, auszuwandern und schließlich in Burbach bei Moosbronn eine Anstellung bei einem Wagner und damit auch eine Wagnerstochter zu finden. Der zeitliche Abstand von acht Monaten zwischen Heirat und Geburt des ersten Kindes legt die Vermutung nahe, dass die Gründung der Wagnerei im Hinterhof eines Anwesens in der Rathausstraße in Rotenfels eine der Not der Abläufe geschuldete Maßnahme war.

Die Heirat einer Wagnerstochter war dabei ebenfalls eine wichtige Notwendigkeit, weil nur eine solche die nötigen Abläufe kannte und entsprechend optimiert mitarbeiten konnte.

Die Auswanderung aus Burbach quer über den Eichelberg nach Rotenfels hatte aber auch politische Gründe: Das Vordringen des französischen Revolutionsheeres im Jahre 1796 nach Burbach wurde durch Erzherzog Karl von Österreich verhindert und ein ausbrechender Konflikt wegen der Zehntabgaben musste im Jahr 1797 durch ein Husaren-Exekutionskommando des Markgrafen niedergeschlagen werden.

Was die Vorteile der generationenübergreifenden Weitergabe von Beruf und Trockenvorräten bedeutete, zeigte sich rund 100 Jahre später. Als einzige Wagnerei im Ort konnte Franzjörgs Enkel Wilhelm Krieg im Jahr 1898 auf dem Familiengrundstück ein einzelstehendes Gebäude als Wagnerei bauen. Es ist das Gebäude, das heute noch weitgehend original erhalten ist.

Geschlechterfolge der Wagnerei Krieg in Rotenfels

Ahnenreihe der Wagnerfamilie KRIEG in Rotenfels

Letzter bis 2002 aktiver Wagner war

  1. (Letzte) Wagnergeneration

Heinrich Krieg
geb. 10.09.1919, getr. 12.08.1946, gest. 02.05.2002

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Heinrich Krieg 1954

Er war das 7. von 8 Kindern (der jüngste Sohn) des

  1. Generation

Heinrich Krieg
geb. 20.10.1878, getr. 21.01.1907, gest. 17.04.1945

1944_saegen_hchhch_cutcorr_1000
Heinrich Krieg jun. und Heinrich Krieg sen.

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Heinrich Krieg sen. 1899

Dieser war das 5. von 9 Kindern (der jüngste überlebende Sohn) des

  1. Generation

Wilhelm Krieg
geb. 27.05.1845, getr. 09.01.1871, gest. 07.01.1911

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Familie Wilhelm Krieg etwa 1899 (der 3. stehend ist Heinrich)

Dieser war das 9. von 9 Kindern des

  1. Generation

Heinrich Krieg
geb. 17.07.1798, getr. 19.02.1827, gest. 24.07.1870

Dieser war der älteste Sohn von 6 Kindern des

  1. Generation (Gründer der Wagnerei Krieg in Rotenfels)

Johann Franz Krieg („Franzjörg“),
geb. 04.10.1762, getr. 20.11.1797, gest. 28.04.1824

Er war der älteste Sohn von 8 Kindern des

  • Ab hier Sitz der Wagnereifamilie Krieg in Simonswald/Prechtal
  1. Generation

Johann Georg Krieg
geb. 20.04.1728, getr. Datum?, gest. 10.12.1777

Er war der zweitälteste Sohn von 6 Kindern des

  1. Generation

Simon Krieg
geb. Datum?, getr. in 2. Ehe 10.05.1712, gest. Datum?

Seine Kinder sind wohl aus einer 3. Ehe.

Er war ein Sohn des

  1. Generation

Konrad Krieg
geb. Datum?, gest. „als Greis“ 22.02.1712

Der Johann Franz Krieg fand auf der Wanderschaft in Burbach eine Wagnerstochter (Elisabeth Volk), die er 1797 in Rotenfels heiratete und die Wagnerei Krieg im damaligen „Rothenfels“ auf einem Hinterhofgrundstück des Hauses nur 230 (spätere Rathausstraße) gründete.

Weil sein Vater Georg hieß, war er der Franz des Jörg, also „Franzjörg“.